Life - Richards, K: Life - Life
Asthma, aber er war auch ein Hypochonder. Währenddessen machte ich den DJ. Mein Job war es, den Plattenspieler mit kleinen 45ern zu füttern, mit Motown, viel Motown, unserer Lieblingsmusik
damals. Anita behauptet, dass die Songs, die ich auswählte, zu ihr sprachen, dass sie voller Bedeutung für sie waren, gerade angesagte Songs wie »Chantilly Lace« und »Hey Joe«. Aber letztlich sind alle guten Songs so. Man kann sie lesen, wie man will.
Die erste Nacht während unserer Fahrt durch Frankreich verbrachten wir alle zusammen in einem Zimmer, alle fünf in einer Art Schlafsaal im Dachgeschoss eines Hauses - die einzige Unterkunft, die wir spätabends noch auftreiben konnten. Am nächsten Tag fuhren wir zu einem Ort namens Cordes-sur-Ciel, den Deborah sich anschauen wollte - ein hübsches Dorf auf der Spitze eines Hügels. Als wir uns dem Ort näherten, kam uns aus den mittelalterlichen Mauern ein Krankenwagen entgegen. Brian bestand darauf, der Ambulanz bis zum nächsten Krankenhaus zu folgen, was uns schließlich nach Albi führte. Dort wurde bei ihm eine Lungenentzündung diagnostiziert. Na ja, bei Brian konnte man eben nie wissen, was echt war und was nicht. Jedenfalls musste er für einige Tage in ein Krankenhaus nach Toulouse, wo wir uns von ihm verabschiedeten. Viel später erfuhr ich, dass er Deborah Anweisung gegeben hatte, Anita und mich keine Sekunde aus den Augen zu lassen. Er wusste also Bescheid. »Okay, Brian, du bist versorgt. Wir fahren jetzt durch Spanien runter nach Marokko, und du kommst dann mit dem Flieger nach Tanger nach.«
Anita, Deborah und ich fuhren nach Spanien weiter, nach Barcelona, wo wir in eine berühmte Flamenco-Bar auf den Ramblas gingen. Damals war das ein rauer Stadtteil, und als wir so um drei Uhr morgens aus der Bar kamen, war da gerade ein kleiner Aufruhr im Gange. Passanten bombardierten den Bentley mit allen möglichen Sachen und wurden noch wütender, als sie uns entdeckten. Vielleicht hatten sie was gegen Reiche oder gegen uns speziell, vielleicht lag es auch daran, dass ich an diesem Tag die Standarte
des Papstes aufgezogen hatte. Ich hatte einen kleinen Fahnenständer am Wagen und wechselte ständig die Beflaggung. Die Bullen tauchten auf, und kurze Zeit später saß ich mitten in der Nacht in Barcelona vor einem Tribunal. Ein niedriger, gefliester Raum mit einem Richter und seinen nächtlichen Geschworenen; gegenüber dem Richter eine lange Bank mit etwa hundert Typen. Der letzte in der Reihe war ich. Plötzlich marschierten Polizisten in den Raum, und der Reihe nach machte der Kopf jedes Einzelnen Bekanntschaft mit dem Schlagstock. Jeder bekam sein Fett weg. Alle wussten, was sie erwartete. Ich hatte den Eindruck, dass es sich um ein ziemlich normales Prozedere handelte. Wenn du nachts vor Gericht landest, kriegst du eben die übliche Abreibung. Und ich war der Letzte in der Reihe. Tom war meinen Pass holen gegangen, und als er nach Stunden endlich zurückkam, hielt ich ihnen das Ding unter die Nase: »Her Majesty Demands«. Da hatten sie gerade den Typen neben mir in der Mangel.
Nach ungefähr neunundneunzig eingeschlagenen Schädeln war ich natürlich davon ausgegangen, dass sie sich die ganze Bankbesetzung und damit auch mich vornehmen würden. Was sie aber nicht taten. Der Richter wollte, dass ich aus den verhafteten Verdächtigen die von ihm auserkorenen Täter als diejenigen identifizierte, die das Auto demoliert und den Aufruhr angezettelt hatten. Aber das tat ich nicht. Es lief schließlich auf eine Strafe für Falschparken hinaus: Ein Papier wurde unterzeichnet, Geld wechselte den Besitzer - und den Rest der Nacht mussten wir trotzdem im Gefängnis verbringen.
Am nächsten Tag ließen wir die Windschutzscheibe reparieren und fuhren mit frischer Hoffnung, aber ohne Deborah weiter. Sie hatte genug von den Reibereien und Gefängniszellen und wollte zurück nach Paris. Ohne Anstandsdame fuhren wir also weiter nach Valencia. Und zwischen Barcelona und Valencia fanden Anita
und ich schließlich heraus, dass wir uns ernsthaft füreinander interessierten.
Nie in meinem ganzen Leben habe ich ein Mädchen angebaggert. Ich weiß einfach nicht, wie das geht. Instinktiv überlasse ich das immer der Frau. Hört sich verrückt an, aber diesen ganzen Kram habe ich einfach nicht drauf: »Hey, Baby, wie läuft’s denn so? Na, wie wär’s mit uns beiden?« Ich bringe keinen Ton raus. Jede Frau, mit der ich zusammen war, musste selbst die Initiative ergreifen. Meine
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