Life - Richards, K: Life - Life
einigermaßen seltenes Exemplar aus einer auf siebenundachtzig Stück limitierten Serie - war auf den Namen Blue Lena getauft, zu Ehren von Lena Horne. Ich habe ihr ein Foto von dem Wagen geschickt. Allein diesen Wagen zu besitzen und zu fahren, einen Wagen, in den ich eindeutig nicht hineingeboren war, bedeutete Ärger, denn er brach die Regeln des Establishments. Blue Lena kutschierte uns auf so manch acidbefeuerter Reise. Zu den Umbauten gehörte ein Geheimfach im Chassis für den Transport illegaler Substanzen. Der Wagen hatte eine riesige Motorhaube, und beim Wenden musste man mächtig kurbeln. In heiklen Situationen erforderte Blue Lena Kunstfertigkeit und Wissen um seine Außenmaße - er war hinten immerhin fünfzehn Zentimeter breiter als vorne. Seinen Wagen
muss man kennen, keine Frage. Eine Drei-Tonnen-Maschine. Der Wagen war für schnelle Fahrten durch die Nacht gebaut.
Brian und Anita waren im Jahr zuvor in Marokko gewesen, 1966, mit Christopher Gibbs, der Brian einmal ins Krankenhaus bringen musste, nachdem der im El Minzah Hotel in Tanger versucht hatte, Anita ein blaues Auge zu verpassen, dabei aber den Metallfensterrahmen erwischt und sich das Handgelenk gebrochen hatte. Sich mit Anita zu verständigen, war nie seine Stärke gewesen. Erst später erfuhr ich, wie brutal er sie behandelte. Als sein Absturz sich abzuzeichnen begann, schlug er sie nicht nur, sondern warf mit Messern und Gläsern nach ihr, so dass sie sich hinter Sofas verbarrikadieren musste. Wahrscheinlich wissen nicht viele, dass Anita eine sehr sportliche Kindheit hatte - sie segelte, schwamm, fuhr Ski, betrieb alle möglichen Sportarten. Brian passte nicht zu Anita, weder körperlich noch geistig. Sie war ihm jederzeit überlegen. Er kam stets nur als Zweiter ins Ziel. Sie hielt Brians Amokläufe für lustig, zumindest am Anfang, später waren sie dann nicht mehr lustig und ziemlich gefährlich. Anita erzählte mir später, dass sie während ihrer Reise nach Tanger heftige Auseinandersetzungen mit Brian hatte, die ihn schließlich in Torremolinos ins Gefängnis brachten. Als sie nach einem Barbesuch zusammen ein Auto stahlen, landete auch sie einmal im Knast. Sie hat oft versucht, Brian aus dem Gefängnis zu holen. Sie schrie die Gefängniswärter an: »Lasst ihn raus. Ihr könnt ihn nicht festhalten.« Im Laufe der Zeit ähnelten sie sich immer mehr; ihre Haare und Klamotten sahen genau gleich aus. Sie verschmolzen miteinander, zumindest, was ihren äußeren Stil anging.
Brian, Anita und ich flogen nach Paris und trafen uns im Hotel George V mit Deborah Dixon, einer alten Freundin von Anita. Deborah war eine beeindruckende Person, eine texanische Schönheit, die in den frühen Sechzigern so ziemlich jeden Zeitschriftentitel
geziert hatte. Brian und Anita hatten sich auf der Stones-Tour kennengelernt, ein Paar waren sie aber erst in Deborahs Haus in Paris geworden. Mein neuer Fahrer nach dem Denunzianten Patrick hieß Tom Keylock - ein harter Bursche aus Nordlondon, der schon bald zum Stones-Chefbeauftragten für heikle Angelegenheiten wurde. Er kutschierte Blue Lena nach Paris, und wir starteten unseren Trip in die Sonne.
Ich schickte Mum eine Postkarte: »Liebe Mum, tut mir leid, dass ich vor unserer Abreise nicht angerufen habe, aber auf meinen Telefonen kann ich nicht frei sprechen. Es wird alles wieder gut, also mach dir keine Sorgen. Es ist wunderschön hier. Wenn wir da angekommen sind, wo wir hinwollen, schreibe ich dir einen Brief. Alles Liebe. Dein Sohn auf der Flucht, Keef.«
Brian, Deborah und Anita saßen hinten, ich saß vorne neben Tom Keylock und wechselte auf dem kleinen Philips-Plattenspieler die Singles. Schwer zu sagen, wie und warum auf dieser Reise eine derart gereizte Stimmung aufkommen konnte. Sicher trug dazu bei, dass Brian noch unausstehlicher und kindischer war als sonst. Tom war ein alter Soldat, er hatte in Arnheim gekämpft, aber selbst er konnte die Spannungen nicht ignorieren. Brians eifersüchtige Beziehung zu Anita steckte in einer Sackgasse, seit sie sich geweigert hatte, ihre Arbeit als Schauspielerin aufzugeben und sich rund um die Uhr ihren häuslichen Pflichten als Geisha, Schmeichlerin und Punchingball zu widmen - oder was immer er sich sonst vorstellte, Orgien zum Beispiel, denen sich Anita immer entschieden verweigert hatte. Während der gesamten Fahrt jammerte und nölte er herum, wie krank er sich fühle und dass er keine Luft bekomme. Niemand nahm ihn ernst. Sicher, Brian litt an
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