Life - Richards, K: Life - Life
Escalier Waller hieß. Die Rückseiten der Häuser grenzten an die Gärten des Minzah. Achmed hatte mit einem Laden angefangen, später kamen zwei höher gelegene dazu. Sie waren durch Stufen miteinander verbunden und glichen im Innern einem Labyrinth. In den höher gelegenen Häuschen standen Messingbetten mit grellbunten Matratzen, auf denen man, nachdem man sich mit Dope vollgesogen hatte, für ein oder zwei Tage wegdämmern konnte. Und dann gab er dir noch mehr Dope, und du warst wieder weggetreten. Man fühlte sich wie in einer Höhle, an deren Wänden all die Kostbarkeiten des Orients hingen, Kaftane, Teppiche, wunderschöne
Laternen … Aladins Höhle. Es war eine Hütte, aber Ahmed hatte sie in einen Palast verwandelt.
Wir nannten ihn Achmed Hole-in-Head, weil er so oft betete, dass sich in der Mitte seiner Stirn eine Einbuchtung abzuzeichnen begann. Er war ein guter Geschäftsmann. Als Erstes brachte er den Pfefferminztee, dann die Pfeife. Er hatte eine spirituelle Ader. Wenn er dir deine Pfeife überreichte, erzählte er dir gewöhnlich ein spannendes Wüstenabenteuer des Propheten. Er war ein guter Botschafter seines Glaubens und eine heitere Seele. Und ein typischer marokkanischer Halsabschneider. Er hatte Zahnlücken und immer ein breites Grinsen im Gesicht. Wenn er erst mal angefangen hatte zu lächeln, hörte er nicht mehr auf. Und er fixierte dich die ganze Zeit. Aber er hatte dermaßen guten Stoff, man kam sich vor wie im Schlaraffenland. Nach ein paar Runden mit seinem Dope fühlte man sich fast wie auf Acid. Er war dauernd auf den Beinen und schaffte süße Leckereien und Bonbons herbei. Und es war sehr schwer, sich wieder abzuseilen. Du glaubst, du schaust mal eben vorbei und machst danach dieses oder jenes, aber nur sehr selten machte man dann überhaupt noch irgendwas. Man konnte den ganzen Tag bleiben, die ganze Nacht - du konntest da buchstäblich leben. Und immer Radio Kairo, verrauscht, haarscharf neben der richtigen Einstellung.
Die marokkanische Spezialität hieß kef, geschnittene Cannabisblätter, die zusammen mit Tabak geraucht werden, in langen, sebsi genannten, Pfeifen, die am Ende einen winzigen Kopf haben. Gleich zum Frühstück, zusammen mit einer Tasse Pfefferminztee. Was Achmed in großen Mengen vorrätig hatte, war eine Sorte Haschisch, der er einen ganz neuen Zauber beimaß. Es wurde Hasch genannt, weil es in Blöcken verkauft wurde, aber streng genommen war es kein Hasch. Hasch wird aus dem Harz der Cannabispflanze hergestellt. Aber das hier war loses Pulver, wie Pollen, aus
der getrockneten Knospe der Pflanze, das in Form gepresst wurde. Dadurch erhielt es seine grüne Farbe. Jemand erzählte mir, dass eine Art der Gewinnung darin bestand, Kinder mit Honig einzuschmieren, dann nackt durchs Cannabisfeld laufen zu lassen und hinterher das Pulver abzukratzen. Achmed hatte drei oder vier verschiedene Qualitätsstufen, die er danach einteilte, durch welche Art Strumpf er das Zeug presste. Es gab die gröberen, und es gab die 24-Denier-Strümpfe. Die beste Qualität ging durch den allerfeinsten Seidenstoff hindurch, reinstes Pulver.
Das war meine erste Begegnung mit Afrika. Nach dem Katzensprung von Spanien nach Tanger befand man sich in einer anderen Welt. Man fühlte sich um tausend Jahre zurückversetzt. Entweder sagte man »Puh, echt unheimlich« oder »Wow, das ist fantastisch«. Und wir liebten es abzuheben. Wir waren schon vorher schwere Doperaucher gewesen. Man könnte sagen, wir waren als Hasch-Inspektoren unterwegs. Wir verschlangen das Zeug nur so. »Wir müssen unsere Vorstellungen von Drogen revidieren«, schrieb Cecil Beaton in sein Tagebuch. »Diese Jungs scheinen sich von dem Zeug zu ernähren, trotzdem machen sie einen extrem gesunden und kräftigen Eindruck. Wir werden sehen.«
Anitas Dilemma - abgesehen von ihren Schuldgefühlen wegen des Verrats und ihrer leidenschaftlichen, selbstzerstörerischen Zuneigung zu Brian -, bestand darin, dass Brian immer noch sehr instabil und krank war und sie das Gefühl hatte, sie müsste sich um ihn kümmern. Also flog sie erst nach Toulouse, dann zusammen mit Brian zu weiteren Untersuchungen nach London und danach mit ihm und Marianne, die übers Wochenende Mick in Marrakesch besuchen wollte, wieder zurück nach Tanger. Brian schluckte damals jede Menge Acid und war durch die Lungenentzündung noch so geschwächt, dass ihm seine beiden Krankenschwestern im Flugzeug zur Stärkung eine Acid-Tablette verabreichten.
Anita und
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