Life - Richards, K: Life - Life
gebrochenen Rippen im Bad liegt. Ich halte diesen Scheiß nicht mehr aus. Eure Prügeleien und Streitereien und diesen ganzen Mist mitanzuhören, das pack ich nicht mehr. Das führt zu nichts. Wir hauen ab und lassen ihn einfach hier. Und haben Spaß - ohne ihn. Die Woche war wirklich hart für mich, immer musste ich dran denken, dass du mit ihm zusammen bist.« Anita war in Tränen aufgelöst. Sie wollte nicht weg, aber sie erkannte, dass ich Recht hatte, als ich sagte, dass Brian wahrscheinlich versuchen würde, sie umzubringen.
Und so plante ich bei Nacht und Nebel unsere Flucht. Als Cecil Beaton dieses Foto von mir am Hotelpool machte, da hatte ich gerade unseren Fluchtplan ausgetüftelt. Ich würde Tom bitten, den Bentley startklar zu machen, und Anita anzukündigen, dass wir uns nach Sonnenuntergang aus dem Staub machen. Die große Nacht-und-Nebel-Aktion war angelaufen, die Flucht von Marrakesch nach Tanger.
Wir benutzten Brion Gysin für unseren Plan. Tom Keylock sagte ihm, er solle mit Brian zu Marrakeschs Platz der Toten mit seinen Musikanten und Akrobaten gehen, Brian solle sein Uher mitnehmen und Aufnahmen machen. Als Vorwand für Brion Gysin sollte
Tom sagen, dass Brian vor der zu erwartenden Pressemeute geschützt werden müsse.
Mit Tom am Steuer verließen Anita und ich spätabends Marrakesch. Mick und Marianne waren schon vorher gefahren. Gysin hielt den niederschmetternden Augenblick fest, als Brian ins Hotel zurückkehrte und ihn anrief: »Komm her, schnell! Die sind alle abgehauen, keiner mehr da! Keine Ahnung, wohin. Sie haben keine Nachricht hinterlassen, und die vom Hotel wollen mir auch nichts sagen. Ich bin ganz allein hier, komm sofort rüber!« Gysin schreibt weiter: »Ich fahre also ins Hotel, packe ihn ins Bett und rufe einen Arzt. Der gibt ihm eine Spritze und bleibt so lange, bis er sicher ist, dass sie wirkt. Nicht dass er noch aus dem zehnten Stock in den Swimmingpool springt.«
In London zogen Anita und ich in meine kleine Bude in St. John’s Wood, die ich kaum mehr betreten hatte, seit ich bei Linda Keith eingezogen war. Nach Courtfield Gardens war das für Anita eine ziemliche Umstellung. Dort verkrochen wir uns, und zwar ziemlich lange. Brian und ich mussten währenddessen weiter zusammenarbeiten, dabei unternahm er verzweifelte Anstrengungen, um Anita zurückzugewinnen. Aber er hatte keine Chance. Wenn Anita sich entschieden hat, dann hat sie sich entschieden. Natürlich waren die Zeit in St. John’s Wood und die Verhandlungen mit Brian eine extrem spannungsgeladene Phase. Was er zum Anlass nahm, um immer öfter zu uns rauszukommen. Es hieß, dass ich sie ihm gestohlen hätte. Meine Meinung ist: Ich habe sie gerettet. Tatsächlich habe ich in gewisser Weise auch ihn gerettet. Sie beide. Sie waren beide auf einem sehr zerstörerischen Weg.
Irgendwann zu dieser Zeit fuhr Brian nach Paris und fiel über Anitas Agenten her. Er tobte, dass jeder ihn verlassen hätte, alle hätten sich verpisst und ihn im Stich gelassen. Er hat mir nie verziehen. Kann ich verstehen. Er besorgte sich dann schnell wieder
eine neue Freundin, Suki Poitier, und irgendwie brachten wir auch die Gigs im März und April hinter uns.
Frühling und Sommer, zwischen der Razzia und den Prozessen, verbrachten Anita und ich in Rom, wo sie neben Jane Fonda in Barbarella mitspielte, unter der Regie von Janes Mann Roger Vadim. In Rom drehte sich Anitas Welt um das Living Theatre, die berühmte anarcho-pazifistische Theatergruppe, die von Judith Malina und Julian Beck geführt wurde. An sich existierte sie schon seit Jahren, aber erst jetzt, in dieser Phase des Aufruhrs und der Protestmärsche, erlebte sie ihre Glanzzeit. In Sachen Wahnsinn setzte die Theatertruppe immer noch einen oben drauf. Ständig wurden die Schauspieler wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet; in einem ihrer Stücke stellten sie sich vors Publikum und rezitierten Listen gesellschaftlicher Tabus, was ihnen gelegentlich eine Nacht im Knast einbrachte. Ihr Star war Rufus Collins, ein gut aussehender Schwarzer, der mit Robert Fraser befreundet war; beide waren Teil der Connection um Andy Warhol und Gerard Malanga. So kreiste die kleine Avantgarde-Elite immer um sich selbst, nicht selten mit Drogen als gemeinsamem Nenner. Und was war das Zentrum des Drogenkonsums? Das LT. Vor allem da Drogen damals nicht gerade leicht verfügbar waren. Im Living Theatre ging es hoch her, aber es hatte Stil. Eine Menge beeindruckender
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