Life - Richards, K: Life - Life
nicht einfach. Blut war geflossen. Neutrales Terrain musste gefunden werden. Es war Anfang Januar 1989, ich war auf Jamaika, was für Mick nicht infrage kam, und nach Mustique wollte ich nicht. Die Wahl fiel auf Barbados. Eddy Grants Blue Wave Studios waren gleich um die Ecke.
Das Erste, worüber wir uns verständigten, war: Die Schlammschlacht muss aufhören. Der Daily Mirror würde kein Sprachrohr mehr sein. Die lieben das, Mann, die fressen uns bei lebendigem Leib auf. Es folgte ein kleiner Schlagabtausch, aber dann amüsierten wir uns über das, was wir uns in der Presse gegenseitig an den Kopf geworfen hatten. Das war wahrscheinlich der Durchbruch. Ich habe was über dich gesagt? Wir rauften uns wieder zusammen.
Mick und ich sind keine besonders guten Freunde - dafür sind wir einfach zu oft aneinandergeraten -, aber wir sind Brüder, und Brüder sind unzertrennlich. Wie soll man eine Beziehung beschreiben, die so lange zurückreicht? Beste Freunde sind beste Freunde. Punkt. Brüder dagegen zoffen sich manchmal. Ich fühlte mich damals wirklich von ihm verraten. Mick weiß normalerweise sofort, wie ich mich fühle, doch diesmal hatte er nicht damit gerechnet,
dass es mich so tief treffen würde. Aber das liegt alles in der Vergangenheit; ist furchtbar lange her. Ich kann offen darüber sprechen. Aber sonst keiner. Wer schlecht über Mick redet, kriegt’s mit mir zu tun.
Wie dem auch sei: unser Verhältnis ist wieder intakt. Wie sonst könnten wir jetzt, nach fünfzig gemeinsamen Jahren, Pläne für eine neue Tournee schmieden? Das mache ich nämlich gerade, während ich dies hier schreibe. Selbst wenn es besser ist, wenn unsere Garderoben mindestens eine Meile auseinander liegen - er hasst mein Gitarrengeklimper, und ich flippe aus, wenn er stundenlang Tonleitern übt. Doch wir lieben das, was wir tun. Jedes Mal, wenn wir uns treffen, vergessen wir alles, was in der Zwischenzeit passiert ist und reden über die Zukunft. Wenn wir allein zusammen sind, fällt uns immer etwas Neues ein. Die Chemie zwischen uns stimmt einfach. So war es schon immer. Darauf können wir uns verlassen, und das ist ein Teil unseres Erfolges.
So war es auch, als wir uns in Barbados wiedersahen. Der Ärger der Achtziger war langsam am Abklingen. Ich ließ Gras über die Sache wachsen. Ich bin vielleicht nachtragend, aber so lange kann auch ich keinen Groll hegen. Solange wir immer noch was Ordentliches gemeinsam auf die Beine stellen können, ist alles andere nebensächlich. Wir sind eine Band, wir kennen uns, wir bringen unser Verhältnis zueinander wieder in Ordnung, denn im Kern wissen wir beide genau, dass die Stones größer sind als jeder Einzelne von uns. Können wir wieder an einem Strang ziehen und gute Musik machen?
Entscheidend war wie immer, dass uns niemand dazwischenfunkte. Es ist ein ganz erheblicher Unterschied, ob Mick und ich allein in einem Raum sind, oder ob sonst noch jemand dabei ist - egal wer. Das Hausmädchen, der Koch oder sonst wer. Das verändert alles. Wenn wir allein sind, dann reden wir Tacheles. »Oh, the
old lady’s kicked me out of the house.« Und schon ist eine Zeile da, mit der wir loslegen können. Schnell kommt ein Klavier dazu, eine Gitarre - ein Song entsteht. Die alte Magie kehrt zurück. Ich kitzele Sachen aus ihm raus, er kitzelt sie aus mir raus. Er macht das, ohne dass du es merkst. Ohne Plan, es passiert einfach.
Kurzum: Schon bald war alles vergessen. Keine zwei Wochen nach diesem Treffen bastelten wir in den AIR Studios auf Montserrat an Steel Wheels, unserem ersten Album seit fünf Jahren. Co-Produzent war wieder Chris Kimsey. Der Start für die Steel-Wheels-Tour, das größte Spektakel bis dahin, war auf August 1989 festgesetzt. Nachdem wir eben noch die Stones um ein Haar aufgelöst hatten, lagen vor Mick und mir nun weitere zwanzig Jahre on the road .
Ich wusste, dass es hier um einen Neuanfang ging. Entweder krachten wir gegen die Wand und die »stählernen Räder« brachen uns unterm Arsch weg, oder wir überlebten. Jeder hatte seine Lektion gelernt und einen Schlussstrich gezogen. Anders wäre ein Neustart auch gar nicht möglich gewesen. Die unmittelbare Vergangenheit wurde aus dem Gedächtnis gestrichen, auch wenn die Narben noch nicht verheilt waren.
Wir bereiteten uns sorgfältig vor. Wir probten zwei volle Monate. Es war eine gewaltige Operation. Die von Mark Fisher entworfene Bühne war die größte, die jemals gebaut worden war. Zwei Bühnen kamen zum Einsatz.
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