Life - Richards, K: Life - Life
Während wir auf der einen spielten, wurde die andere schon in der nächsten Stadt aufgebaut. Die Lastwagen transportierten ein mobiles Dorf, in dem es vom Billardtisch bis hin zu den Proberäumen, in denen Ronnie und ich uns warmspielten, alles gab. Die marodierende Piratentruppe gehörte damit der Vergangenheit an. Der Stabwechsel von Bill Graham zu Michael Cohl, der schon früher als unser Promoter in Kanada gearbeitet hatte, bedeutete auch einen Wechsel in Persönlichkeit und
Stil. Diesmal erkannte ich, wie groß das Spektakel war, bei dem ich mitmischte. Es war riesig, gigantisch, eine ganz neue Art von Geschäft.
Die Tourneen in den Achtzigern waren die ersten, mit denen die Stones wirklich Geld verdienten - mit der Tour’81/’82 begann die Ära der großen Stadionkonzerte, und sie brach sämtliche Kassenrekorde für Rockshows. Der Promoter war Bill Graham. Zu jener Zeit war er der König der Konzertveranstalter, ein großer Förderer der Gegenkultur, neuer Künstler und Benefizveranstaltungen wie auch von Bands wie Grateful Dead und Jefferson Airplane. Aber die letzte Tour, die er für uns organisiert hat, war eine ziemlich zwielichtige Angelegenheit - jede Menge Sachen haben einfach nicht gepasst. Die Zahlen stimmten nicht. Kurz gesagt: Wir mussten die Kontrolle über unsere Shows zurückgewinnen. Rupert Loewenstein hatte unsere Finanzen wieder in Ordnung gebracht, so dass wir nicht mehr um achtzig Prozent unserer Einnahmen geprellt wurden - was sehr angenehm war. Bis dahin waren uns von einer Fünfzig-Dollar-Eintrittskarte drei Dollar geblieben. Er beschaffte uns Sponsoren und brachte das Merchandising-Geschäft wieder unter unsere Kontrolle. Er merzte zumindest die größten Gaunereien und Mauscheleien aus. Er brachte den Laden wieder auf Vordermann. Ich liebte Bill aufrichtig, er war ein wunderbarer Kerl, aber er wurde größenwahnsinnig, wie alle, die zu lange in dem Business sind. Seine Geschäftspartner bestahlen uns hinter seinem Rücken und prahlten auch noch offen damit - einer erzählte herum, dass für ihn ein Haus dabei herausgesprungen sei. Mit diesen Machenschaften wollte und will ich nichts zu tun haben. Ich will nur auf einer Bühne stehen und spielen. Deshalb bezahle ich andere Leute; damit sie sich um das Geschäftliche kümmern. Der Punkt ist, dass ich meinen Job nur dann erledigen kann, wenn man mir die Bedingungen dafür schafft. Deshalb arbeitet
man mit Leuten wie Bill Graham oder Michael Cohl oder sonst wem. Sie nehmen dir diese Last ab, und man macht immer noch einen guten Schnitt dabei. Ich brauche Leute wie Rupert und Jane, die dafür sorgen, dass abends beim Kassensturz die richtigen Schekel im richtigen Topf landen. Bei einem großen Meeting auf einer der Inseln beschlossen wir, uns mit Michael Cohl zusammenzutun, und seitdem organisierte er alle Tourneen für uns, bis hin zu A Bigger Bang im Jahr 2006.
Mick hat ein Talent dafür, gute Leute zu entdecken, denen es dann aber passieren kann, dass er nicht auf sie hört oder sie links liegenlässt. Mick tut sie auf, Keith hält sie bei der Stange, das ist das Motto der Truppe. Die Fakten belegen das. Ich denke dabei vor allem an zwei Leute, die Mick für sein Soloprojekt ausgesucht hatte. Ohne es zu wissen, brachte er mich mit ein paar der Besten zusammen, Burschen, die ich nie wieder ziehen lassen würde. Einer davon war Pierre de Beauport, den Mick als seinen persönlichen Assistenten zu unserem Versöhnungstreffen nach Barbados mitgebracht hatte. Er hatte als College-Student einen Ferienjob in New York angenommen, um zu lernen, wie man Platten produziert, und durfte Mick auf dessen Solotour begleiten. Pierre kann nicht nur von Tennisschlägern bis zu Fischernetzen alles reparieren, vor allem hat er auch ein geniales Händchen für Gitarren und Verstärker. Auf Barbados hatte ich nur einen alten Fender-Tweed-Amp dabei, der kaum noch funktionierte und grässlich klang. Da Pierre noch ein Frischling in Micks Diensten war, hatte man ihn natürlich gewarnt, auf keinen Fall die Grenzlinien des Kalten Krieges zu überschreiten - als handelte es sich um Nord- und Südkorea. Dabei waren wir schon auf dem Stand von Ost- und Westberlin. Eines Tages überschritt Pierre die Linie, schnappte sich meinen Tweedie, zerlegte ihn und baute ihn wieder zusammen. Er funktionierte perfekt. Ich schloss Pierre in die Arme und
wusste schon kurze Zeit später, dass er zu mir gehörte. Weil er nämlich auch noch - was ich lange nicht gewusst hatte -
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