Life - Richards, K: Life - Life
Gitarre spielen konnte wie der Teufel. Wahrscheinlich besser als ich. Was unsere geradezu obsessive Liebe zur Gitarre anging, funkten wir auf einer Wellenlänge. Seitdem ist er mein Mann hinter der Bühne, der mir die Gitarren reicht. Er ist mein Gitarrenverwalter und mein Trainer. Auch musikalisch sind wir ein Team geworden. Das geht so weit, dass ich einen neuen Song zuerst Pierre und dann den anderen vorspiele.
Pierre wacht über alle meine Gitarren. Jede hat einen Spitznamen und eine eigene Persönlichkeit. Er kennt ihren speziellen Sound und ihre speziellen Eigenschaften. Die meisten der Menschen, die sie’54,’55 oder’56 gebaut haben, sind heute tot. Wenn diese Gitarrenbauer damals vierzig oder fünfzig waren, dann wären sie heute deutlich über hundert Jahre alt. Aber im Innern der Gitarren kann man noch die Namen der Kontrolleure lesen, die ihnen damals das Gütesiegel verpasst haben. Die Namen der Kontrolleure sind heute die Spitznamen der Gitarren. Auf Malcolm, einer Telecaster, spiele ich »Satisfaction«, für »Jumpin’ Jack Flash« nehme ich Dwight, auch eine Telecaster. Micawber ist ein echter Allrounder, mit jeder Menge Höhen. Malcolm hat mehr Bässe, Dwight liegt irgendwo dazwischen.
Ich ziehe meinen Hut vor Pierre und allen anderen aus der Backline-Crew, die sich um unsere Instrumente kümmern. Wenn auf der Bühne was schiefläuft, dann passiert das immer ganz plötzlich. Die Jungs müssen darauf vorbereitet sein, ruck, zuck eine Gitarre mit gerissener Saite entgegenzunehmen, die Saite zu wechseln und einem binnen Sekunden eine ähnlich klingende Gitarre um den Hals zu hängen. In den alten Zeiten dachte man einfach: Scheiß drauf. Man latschte hinter die Bühne, und die anderen machten einfach ohne einen weiter, bis man das Problem selbst
gelöst hatte. Heute steht man permanent unter Beobachtung, alles wird gefilmt. Bei Ronnie reißen dauernd Saiten. Am schlimmsten ist es allerdings bei Mick. Wenn er Gitarre spielt, prügelt er mit dem Plektrum förmlich auf die Dinger ein.
Der zweite Neuzugang war Bernard Fowler, der seitdem zu den Backgroundsängern der Band gehört, zusammen mit Lisa Fischer und Blondie Chaplin, die ein paar Jahre später zu uns stießen. Auch Bernard hatte bei Micks Soloprojekt mitgewirkt. Von da an hat er auf meinen Soloalben und bei jedem Song gesungen, den ich geschrieben habe, seit er dabei ist. Als wir im Studio ein paar Backing-Vocals aufnahmen, habe ich zu ihm als Erstes gesagt: »Weißt du was, ich war fest entschlossen, dich nicht zu mögen.« »Warum?« - »Weil du einer von seinen Jungs bist.« Bernard lachte sich kaputt, und damit war das Eis gebrochen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich hätte ihn Mick ausgespannt. Aber diese Art von Konkurrenzdenken wollte ich ja hinter mir lassen. Außerdem singen wir gut zusammen. Also wurde dieser ganze Scheiß aus dem Weg geräumt.
Für die Steel-Wheels-Tour 1989 konnte ich Bobby Keys wieder in die Band schmuggeln. Einfach war das nicht. Abgesehen von ein paar vereinzelten Gigs hatte er zehn Jahre nicht mehr dazugehört. Ich brauchte lange, um ihn wieder zurückzuholen. Am Anfang erzählte ich niemandem was davon. Wir probten im Nassau Coliseum für die Tour, und ich war mit den Bläsern nicht sonderlich zufrieden. Als die Generalprobe anstand, rief ich Bobby an. »Setz dich ins nächste Flugzeug, aber pass auf, dass dich keiner sieht, wenn du in der Halle bist.« Bobby kam also vorbei, wovon Mick keine Ahnung hatte. Ich sagte Bobby, er solle bei »Brown Sugar« einfach auf die Bühne stiefeln und das Solo spielen. Als er loslegte, fuhr Mick zu mir herum. »Was zum Teufel …?« Ich sagte nur, »Verstehst du jetzt, was ich meine?« Hinterher schaute mich Mick
nur an: Was kann ich da noch sagen? Das ist Rock’n’Roll, Baby! Trotzdem, es kostete mich zehn Jahre, bis ich Bobby wieder in die Band getrickst hatte. Wie gesagt, ein paar meiner Freunde bauen ziemliche Scheiße, aber ich tue das auch, und Mick auch, jeder tut das mal. Wenn du keine Scheiße baust, wo ist dann dein Heiligenschein? In meinem Leben habe ich jede Menge falscher Heiligenscheine gesehen. Mick sprach während der gesamten Tour kein einziges Wort mit Bobby. Aber Bobby blieb dabei.
Mit Steve Crotty holte ich noch ein weiteres Mitglied in die Richards-Gang. Steve gehört zu den Menschen, die mir einfach so begegnen und auf der Stelle zu guten Freunden werden. Er stammt aus Preston, Lancashire. Sein Vater war Fleischer, ein tougher Kerl, und
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