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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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zurechtstutzen. Einmal wollte Mick unbedingt Stelzenläufer dabeihaben, aber ich hatte Glück: Bei der Kostümprobe fing es an zu regnen, und sämtliche Stelzenläufer kippten um. Eine fünfunddreißigköpfige Tanzgruppe, die für dreißig Sekunden »Honky Tonk Women« mit auf Tour kommen sollten, schickte ich unbesehen nach Hause. Tut mir leid, Mädels, aber ihr müsst woanders rumhampeln. Ich meine, damit hätten wir hunderttausend Dollar das Klo runtergespült! Aber in den Siebzigern hatte sich Mick eben an diese Strategie des fait accompli gewöhnt - er dachte, ich würde seine Entscheidungen eh nicht mitkriegen. Dabei hatte ich sie selbst damals fast immer mitbekommen, vor allem wenn es um Musik ging. Hier ein entnervtes Fax:
    Mick, wie kommst du dazu, die Stones-Tracks neu abmischen zu lassen und freizugeben, ohne das mal kurz mit mir abzustimmen? Gelinde gesagt, finde ich das höchst merkwürdig. Außerdem sind die Mixe sowieso schrecklich, falls dir das noch nicht aufgefallen ist … und du stellst mich hier vor vollendete Tatsachen. Was ist das denn für ein Verhalten? Wer hat die Tracks ausgesucht? Wer hat die Mixe ausgesucht? Warum glaubst du, du könntest das alles allein entscheiden? Irgendwann musst du doch einsehen, dass ich mich nicht von dir verarschen lasse.
    Unsere Mega-Tourneen waren aber nicht allein auf Micks Mist gewachsen, die haben wir uns alle zusammen ausgedacht. Steel Wheels, Voodoo Lounge, Bridges to Babylon, Forty Licks, A Bigger Bang - riesige Konzertreisen, die uns zwischen 1989 und 2006 oft monatelang am Stück auf Trab gehalten haben. Warum wurde das
Ganze so groß? Eigentlich nur wegen der Nachfrage. Warum macht ihr das immer noch, fragen uns die Leute, wie viel Geld wollt ihr denn noch verdienen? Klar, Geld ist immer schön, aber wir wollten vor allem auftreten. Dabei begaben wir uns auf ganz neues Terrain, wir konnten gar nicht anders - wir hatten die Möglichkeiten, das Publikum wollte es so, also warum nicht? Die Leute bekommen, was sie wollen, was will man dagegen schon sagen? Ich persönlich trete ja lieber in kleineren Läden auf, aber wohin mit den ganzen Menschen? Wir waren selbst überrascht, als das Ganze immer größer wurde. Im Grunde taten wir nichts anderes als damals 1963 im Crawdaddy Club, nur in einer ganz anderen Größenordnung. Wie war das möglich? Unser Standardset besteht zu zwei Dritteln aus bekannten Stones-Nummern, Klassikern eben. Eigentlich hat sich nichts verändert, lediglich die Zuschauerzahlen sind gewachsen, und die Shows wurden länger. Als wir anfingen, haben Topacts höchstens zwanzig Minuten gespielt, die Everly Brothers meist eine halbe Stunde.
    Wenn du auf Tour gehen willst, musst du eiskalt rechnen: Wie viele Ärsche auf wie vielen Stühlen, und was kostet die Show - eine simple Gleichung. Man könnte sagen, dass wir erst durch Michael Cohl in diese Größenordnungen vorgestoßen sind, aber auch Michael hat nur die Nachfrage eingeschätzt - was gar nicht so einfach ist nach acht Jahren Pause - und beschlossen, das Risiko einzugehen. Wir waren uns nicht sicher, ob er sich nicht doch verschätzt hatte, aber als dann die Tickets für Philadelphia in den Vorverkauf gingen, war die Sache klar. Wir hätten dreimal so viele an den Mann bringen können.
    Wir tourten, um zu überleben. Die Tantiemen für die Platten reichten kaum für die laufenden Kosten. Es war nicht wie früher, als man im Windschatten eines Albums auf Tour gehen konnte. Ohne diese Mega-Tourneen wäre die Maschinerie zum Erliegen
gekommen, im kleineren Maßstab hätten wir vielleicht nicht mal die Ausgaben reingeholt. Trotzdem waren die Stones eine Besonderheit auf dem Markt: Wir füllten ganze Stadien, obwohl sich unsere Show nur um Musik und nichts als Musik drehte. Wer auf Tanznummern oder Musik aus der Konserve steht, ist bei uns an der falschen Adresse. Bei uns hört und sieht man die Stones. Punkt.
    Manches wäre in den Siebzigern völlig undenkbar gewesen. Die Leute waren schockiert - wir hätten uns in ein kommerzielles Unternehmen verwandelt, in einen Werbeträger mit haufenweise Sponsorenverträgen! Tja, auch das war Teil des Brotverdiensts, sonst ging die Gleichung nicht auf. Wie finanziert man eine Tournee? Dass beide Seiten gut wegkommen, das Publikum und die Band, das ist doch das Entscheidende. Ja, wir gingen zu Meet-and-Greet -Treffen mit der Geschäftswelt, irgendwelche Leute kamen angelaufen, schüttelten uns die Hand und ließen sich mit uns fotografieren. Das

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