Life - Richards, K: Life - Life
stand nun mal im Vertrag. Aber wenn ich ehrlich bin, macht das sogar Spaß. Ein Haufen besoffener Typen steht vor dir Schlange, um »Hey, wie läuft’s, Baby?« zu sagen, oder »Hach, ich liebe Ihre Musik« oder »Hey Kumpel«. Ein ewiges Händeschütteln mit Menschen, die für unsere Sponsoren arbeiten, nichts weiter. Außerdem gehört es schon zum Ritual vor der Show. Okay, jetzt geht die Arbeit wirklich los. Schluss mit Snooker, Zeit für Meet and Greet . Irgendwie hat das auch was Beruhigendes. Du weißt, in zwei Stunden musst du raus auf die Bühne. Du weißt, woran du bist, und ein bisschen Routine ist immer schön. Vor allem, wenn du jeden Tag in einer anderen Stadt aufwachst.
Das größte Problem mit diesen riesigen Stadien und Bühnen war der Sound. Wie verwandelt man ein Stadion in einen Club? Der perfekte Rock’n’Roll-Club wäre eine übergroße Ziegelsteingarage mit einer Bar ganz hinten, aber eigentlich gibt es keine richtigen Veranstaltungsorte für Rock’n’Roll; kein Lokal dieser Welt ist speziell
darauf ausgelegt, einen idealen Rahmen für diese Musik abzugeben. Also lässt du dich oft auf irgendeine Location ein, die für einen ganz anderen Zweck gedacht ist. Am liebsten ist uns eine Umgebung, die wir kontrollieren können. Es gibt ein paar tolle Läden, zum Beispiel das Astoria, und ein paar richtig gute Tanzsäle wie das New Yorker Roseland oder das Paradiso in Amsterdam. In Chicago ist das Checkerboard nicht schlecht. Eine bestimmte Größe und ein bestimmtes Platzangebot sind optimal. Aber draußen auf diesen Riesenbühnen weißt du nie, was auf dich zukommt.
Im Freien steht sowieso noch einer mit auf der Bühne: der liebe Gott. Manchmal ist er gnädig gestimmt, manchmal attackiert er dich mit Windstößen aus der falschen Richtung, die den Sound komplett aus dem Stadion wehen. Irgendwer kriegt dann schon den optimalen Stones-Sound um die Ohren, nur leider in drei Kilometern Entfernung, wo sie nichts damit anfangen können. Gut, dass ich immer meinen magischen Stock dabeihabe. Zum Soundcheck bringe ich jedes Mal eine meiner Ruten mit, mit der ich ein paar kabbalistische Zeichen in den Himmel und auf den Boden der Bühne male. Alles in Butter, das Wetter spielt mit! Klar ist das ein Aberglaube, aber wenn ich ohne Rute zum Open-Air-Konzert erscheine, machen sich die anderen Sorgen um mich. Und normalerweise ist das Wetter dann wirklich in Ordnung, wenn die Show anfängt.
Ein paar unserer besten Gigs haben wir unter den schlimmstmöglichen Bedingungen gespielt. Bei unserem ersten Konzert in Indien in Bangalore legte der Monsun mitten im Eröffnungssong los, und so ging es dann die ganze Show über weiter. Es spritzte und stürmte dermaßen, dass ich kaum das Griffbrett erkennen konnte. Eine legendäre Show: Monsun in Bangalore. So nennen wir den Abend bis heute. Aber es war toll. Ob Hagel, Schnee, Regen oder sonst was, das Publikum bleibt. Wenn die Band ausharrt,
kann passieren was will, die Leute bleiben auch und rocken das Wetter weg. Richtig blöd ist ein plötzlicher Kälteeinbruch. Wenn dir die Finger abfrieren, macht die Arbeit wirklich keinen Spaß mehr. Nur gut, dass so was selten vorkommt; wir planen unsere Tourneen entsprechend. Außerdem postiert Pierre immer ein paar Typen hinter der Bühne, die kleine Heizkissen bereithalten. Die legen wir dann zwischen den Songs auf die Finger, damit sie nicht völlig vereisen.
An einem Finger habe ich eine Narbe, wo mir einmal die Haut bis auf den Knochen weggebrannt ist, und das bei der allerersten Nummer des Abends. Ich war selbst schuld. Nicht so weit nach vorne gehen, hatte ich den anderen noch gesagt, am Anfang gibt’s ein großes Feuerwerk. Und dann hab ich selber nicht dran gedacht. Ich stelle mich ganz vorne hin, das Feuerwerk sprüht los, und ein Fitzel weißer Phosphor landet auf meinem Finger und raucht und kokelt vor sich hin. Natürlich kann ich ihn nicht wegwischen; wenn ich ihn berühre, verteile ich ihn nur. Also spiele ich »Start Me Up« und sehe zu, wie die Haut bis auf den Knochen wegschmort. Die nächsten zwei Stunden durfte ich dann meinen nackten Knochen bewundern.
Bei einer Show in Italien wurde es wirklich kritisch. Mailand in den Siebzigern. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten, ich bekam kaum noch Luft. Es war absolut windstill und unglaublich heiß. Ich spürte, wie ich langsam wegdämmerte, auch Mick war kurz vorm Umkippen. Charlie hat immerhin ein bisschen Schatten, aber ich stand draußen im Smog
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