Life - Richards, K: Life - Life
von Mailand, unter der brutalen Sonne, inmitten von Hitze und Abgasen. So was kommt vor. Manchmal wache ich mit 39,4 Grad Fieber auf und gehe trotzdem auf die Bühne, weil ich weiß: Ich krieg das hin, wahrscheinlich schwitze ich es einfach raus. Und meistens behalte ich Recht. Des Öfteren bin ich mit heftigem Fieber aufgetreten,
und am Ende der Show war ich geheilt. Okay, manche Konzerte hätte ich besser mal abgesagt und mich ins Bett verkrochen. Aber wenn ich irgendwie rauswanken kann, dann wanke ich raus. Ein bisschen schwitzen, dann klappt das schon. Ab und zu übergebe ich mich auf der Bühne. Keine Ahnung, wie oft ich mich hinter den Verstärker verzogen habe, um mal kurz zu kotzen. Öfter als ihr denkt jedenfalls. Mick macht es genauso, Ronnie auch. Häufig geht es gar nicht anders bei den Bedingungen: zu wenig Luft, zu viel Hitze. Und Kotzen ist eigentlich halb so wild. Man kotzt, um sich hinterher besser zu fühlen. »Wo ist Mick?« - »Hinter der Bühne beim Kotzen.« - »Okay, ich bin als Nächster dran!«
In den großen Stadien musst du beten, dass der erste Ton gleich den ganzen Raum ausfüllt und du nicht rumpiepst wie ein Mäuschen. Gestern im kleinen Proberaum hat es vielleicht noch ganz fantastisch geklungen, aber jetzt auf der großen Bühne hört es sich an wie drei Mäuse in der Mausefalle. Bei der Bigger-Bang-Tour hatten wir Dave Natale dabei, den besten Livemischer, mit dem ich je gearbeitet habe. Aber selbst ein Kerl mit seinen Fähigkeiten kann in so einem riesigen Stadion den Sound erst testen, wenn das Rund gut gefüllt ist. Deshalb ist der erste Abend immer eine Überraschung. Und wenn Mick irgendeine Rampe runterläuft und sich immer weiter von der Band entfernt, haben wir sowieso keine Ahnung mehr, ob er noch dasselbe hört wie wir. Eine halbe Sekunde Verzögerung, und der Beat ist im Eimer. Wir müssen eine kurze Warteschleife einbauen, sonst singt er ewig weiter wie ein Japaner. Das ist dann die ganz große Kunst - dafür brauchst du Jungs, die so tight sind, dass sie den Beat anpassen können, und zwar genau so, dass Mick an der richtigen Stelle rauskommt. Die Band wechselt von Off-Beat in den On-Beat und wieder zurück und von vorne, ohne dass das Publikum irgendwas mitbekommt. Ich lauere darauf, dass Charlie auf Mick schaut, um sich an seiner Körpersprache
zu orientieren - nicht am Sound, denn das Echo ist viel zu stark -, Charlie legt dann einen kleinen Stotterer ein, bis Mick bei ihm angekommen ist, und zack, bin ich wieder mit dabei.
Ich weiß nicht, woher dieses Bedürfnis kommt, irgendwelche Rampen runterzulaufen. Für die Musik bringt es jedenfalls rein gar nichts. Im Rennen kann man nicht besonders gut spielen, und dann bist du am Ende der Rampe angekommen und musst obendrein wieder zurück! Irgendwann fragst du dich, warum du dir das eigentlich antust. Wir haben gelernt, dass man auch im größten Stadion so tun kann, als würde man in einem Club spielen - man muss die Band nur auf einen kleinen Fleck konzentrieren. Dank Leinwänden ist das heute alles kein Problem mehr, da sind wir auch auf einem Haufen noch gut zu sehen. Außerdem gibt das ein viel stärkeres Bild ab als vier, fünf Typen, die irgendwo über die Bühne verteilt rumhüpfen. Mit der Zeit ist uns klargeworden, dass die Leute sowieso vor allem auf die Bildschirme starren. Im Vergleich dazu bin ich das reinste Streichholzmännchen. Ich kann mich anstrengen, wie ich will, ich werde nicht mehr größer als eins fünfundsiebzig.
Um den aufreibenden Tourstress durchstehen zu können, muss man zur Maschine werden: alles ist auf den nächsten Gig ausgerichtet. Man wacht morgens auf, und alle Gedanken sind beim Konzert. Den ganzen Tag über denkt man daran, ob man will oder nicht. Erst nach dem Auftritt hat man ein paar Stunden frei, aber dann ist man todmüde. Normalerweise braucht es zwei bis drei Konzerte, bis ich in meinen Rhythmus finde. Aber dann könnte ich ewig weitermachen. Mick geht da ganz anders ran. Schließlich ist es rein körperlich viel anstrengender für ihn - wenn man mal von den paar Kilo Gitarre absieht, die ich mit mir rumschleppen muss. Mick muss mit seiner Energie ganz anders haushalten - daher trainiert er auch so viel. Mein Training dagegen beschränkt
sich aufs Entspannen - auch eine Art, seine Energie nicht zu verlieren. Trotzdem ist so eine Tournee ein ganz schöner Schlauch. Das ständige Reisen, das Hotelessen und so weiter. Alles ziemlich anstrengend - doch wenn ich auf der Bühne
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