Life - Richards, K: Life - Life
aufreibenden Konkursverhandlungen.
Der Rest der Welt erfuhr erst 1993 von Bills Abschied, als wir endlich Ersatz gefunden hatten. Es hatte eine Weile gedauert, aber wir hatten Glück, denn der Neue passte perfekt. Am Ende wurden wir ganz in der Nähe fündig: Als guter Freund von Charley Drayton und Steve Jordan hatte Darryl Jones enge Verbindungen zu den Winos. Er lungerte also schon in unserem Umfeld herum. Für mich ist Darryl ein Gigant, ein wunderbarer Allrounder. Und Charlie Watts, der sich von jeher an den großen Drummern des
Jazz orientiert, hatte natürlich nichts gegen einen Typen einzuwenden, der fünf Jahre seines Lebens mit Miles Davis gespielt hatte. Darryl wuchs extrem schnell in unser Gefüge hinein, und ich spiele verdammt gern mit ihm. Auf der Bühne fordert er mich die ganze Zeit heraus. Okay, willst du das wirklich so durchziehen? Gut, aber dann auch richtig! Um Charlie müssen wir uns sowieso keine Sorgen machen, also warum jammen wir nicht ein bisschen herum, warum hauen wir nicht ein bisschen auf die Kacke? Es ist ein Riesenspaß, und Darryl hat mich bisher kein einziges Mal enttäuscht.
Die X-Pensive Winos hatten sich in alle Winde zerstreut, aber unsere heißen Licks hatten Spuren hinterlassen in der Populärkultur. Zum Beispiel auf dem Sopranos -Soundtrack, wo wir mit »Make No Mistake« vertreten waren, neben »Thru and Thru« von den Stones. Wir waren bereit zu einem Comeback, und so trafen wir uns in New York, um es vorzubereiten. Die jungen, frischen Musiker, die vor fünf Jahren meinem Ruf zu den Waffen gefolgt waren, sahen inzwischen etwas mitgenommen aus. Längst hatte Jack Daniel’s den namensgebenden Wein als bevorzugtes Bandgetränk abgelöst. Die erste Platte hatten wir in Kanada aufgenommen, irgendwo im Wald, wo wir jede Flasche Jack Daniel’s im Umkreis von achtzig Kilometern leerten! Gegen Ende der ersten Woche waren sämtliche Läden ausverkauft, wir mussten in Montreal Nachschub holen lassen. Jetzt stand also die zweite Platte an, und wieder floss der Jack in Strömen, und nicht nur der. Irgendwann lief es ein bisschen aus dem Ruder, alles schien unglaublich lange zu dauern. Schließlich musste ich , Keith Richards, ein offizielles Jack-Daniel’s-Verbot während der Sessions verhängen! In diesem Augenblick schaltete ich offiziell von Jack auf Wodka um, und tatsächlich entspannte sich daraufhin alles ein bisschen. Zwei, drei aus der Band trinken seitdem keinen Tropfen Alkohol mehr.
Doch bevor ich den Alkohol rationierte, mussten wir uns noch einen plötzlichen Wutausbruch von Doris anhören, die unsere - ihrer Meinung nach - mangelnde Arbeitsmoral durch die Glasscheibe beobachtet hatte. Weil sie gerade zu Besuch in New York war, kam sie im Studio vorbei, und Don Smith führte sie herein. Leider verstarb Don, während ich dieses Buch geschrieben habe, eine sehr traurige Sache. So hat er sich an Doris’ Stippvisite erinnert:
Don Smith: Keith und die anderen sind im Studio, um Backing-Vocals aufnehmen, aber sie plappern nur herum, und das seit zwanzig Minuten oder so. Doris fragt mich, was das soll und wie sie mit den Jungs reden kann. Ich zeige ihr den Knopf für die Gegensprechanlage, und sie drückt drauf und schreit: »Ihr hört jetzt sofort auf mit dem Rumblödeln und macht euch an die Arbeit … Das Studio kostet Geld, und ihr steht nur rum und plappert irgendwelchen Quatsch, den sowieso kein Mensch versteht, also macht euch jetzt gefälligst an die Arbeit! Ich bin extra aus England hierher geflogen, und ich habe wirklich Besseres zu tun, als euch den ganzen Abend beim Quasseln zuzuhören.« In Wirklichkeit schimpfte sie noch sehr viel länger und heftiger, und ein Minütchen lang hatten die Jungs richtiggehend Angst. Dann lachten sie alle - und haben sich sofort an die Arbeit gemacht.
Doris sei Dank machten wir uns also wieder ans Werk, und bald hatten wir einen unbarmherzigen Arbeitsrhythmus entwickelt. Davon kann Waddy am besten berichten.
Waddy Wachtel: Am Anfang legten wir um sieben Uhr abends los und blieben mindestens zwölf Stunden lang im Studio, doch im Lauf der Zeit sagten wir uns, na ja, fangen
wir lieber mal um acht an, dann um neun, dann um elf. Und bald - ich schwöre bei Gott, dass ich mir das nicht ausdenke -, begannen wir um ein Uhr früh, dann um drei Uhr früh mit der Arbeit. Eines Morgens sitzen wir im Auto, Keith hat seinen Drink in der Hand und seine Sonnenbrille auf der Nase, weil die Sonne wirklich hell scheint, und sagt: »Moment mal
Weitere Kostenlose Bücher