Life - Richards, K: Life - Life
… Wie viel Uhr ist es eigentlich?« - »Acht Uhr morgens«, antworten wir. Und er: »Sofort umkehren! Um acht Uhr morgens gehe ich auf keinen Fall zur Arbeit!« Er hatte seinen Tagesablauf komplett auf den Kopf gestellt.
Wochenlang bastelten wir an dieser Platte, es nahm einfach kein Ende. Ein Sommer in New York, und ich bekam kein einziges Mal die Sonne zu Gesicht. Frühmorgens, wenn der Himmel noch grau war, ging ich auf mein Zimmer, schlief den ganzen Tag durch, stand nachts wieder auf und marschierte zurück ins Studio. Ich versuche mal, zu verdeutlichen, wie lang das alles gedauert hat: Ich bin konsequenter Kettenraucher, und ich hatte ein kleines Bic-Feuerzeug dabei. Jane Rose meinte, die Platte müsste in anderthalb Monaten fertig sein. »Okay«, sagte ich zu Keith, während ich mir eine Zigarette ansteckte, »so ein Feuerzeug reicht für ungefähr anderthalb Monate. Wenn dieses kleine rosa Feuerzeug leer ist, sollten wir also in etwa fertig sein.« Keith nickt. »Alles klar, Mann. Wir behalten das Feuerzeug im Auge.« Anderthalb Monate später ist das Ding alle, und ich kaufe ein neues rosa Feuerzeug, ohne Keith was davon zu erzählen. Bald sind es zwei Monate. Jedes Mal, wenn Keith eine raucht, gebe ich ihm mit dem rosa Teil Feuer; darauf achte ich genau, und er achtet auf das Feuerzeug. Halb so wild, denkt er sich also, wir haben noch
Zeit. Drei Feuerzeuge später bekomme ich Besuch von meiner Frau Annie. »Liebling«, sage ich zu ihr, »ich hätte da einen Auftrag für dich. Du musst alle kleinen rosa Bic-Feuerzeuge kaufen, die du kriegen kannst.« Wir wechselten nämlich gerade in die Abmischphase. Schließlich wurde der letzte Song abgemischt, »Demon«, der richtig gut wurde. Die letzten drei, vier Tage laufe ich nur noch mit einem Haufen rosa Feuerzeuge herum, ich habe immer mindestens ein Dutzend in der Tasche. Als »Demon« endlich fertig ist, kommt ein überglücklicher Keith rein und sagt: »Mann, jetzt brauch ich eine Zigarette.« - »Moment«, sage ich, »ich geb dir Feuer«, greife in die Tasche und hole eine Handvoll Feuerzeuge raus. »Du Arschloch!«, brüllt Keith. »Wusst ich’s doch, dass da was im Busch ist!«
Manchmal wurde schon der Hinweg zum Studio zur Tortur. Als ich einmal auf dem Weg zu den Sessions mit Don in einer Bar war, kam es zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit. Eigentlich war das nichts Neues - ständig will mich irgendein Arschgesicht aufziehen, weil ich Keith Richards bin. Aber dieser spezielle Arsch stellte sich so bescheuert an, dass mir der Kragen platzte. Don war Zeuge:
Don Smith: Ich holte Keith mit den anderen immer in seinem Apartment ab, und auf dem Weg zum Studio machten wir regelmäßig einen Zwischenstopp in der Kneipe. Also setzen wir uns da an die Bar, und ein paar Minuten später fängt dieser DJ an, Stones-Songs zu spielen. Nach dem zweiten Song geht Keith rüber und sagt ganz höflich: »Könntest du das bitte lassen? Wir sind auf dem Weg zur Arbeit, wir wollen nur was trinken.« Aber der Kerl legt weiter Stones-Platten
auf, eine nach der anderen. Also geht Keith wieder rüber, springt hoch zum DJ, schnappt sich den Typen, und im nächsten Moment hat er ihm das Knie auf die Brust gesetzt. »Äh, Keith«, sagen wir anderen, »sollten wir nicht lieber los?« - »Ja, ja, schon gut.«
Die nächste, nicht weniger zügellose Winos-Tour führte uns unter anderem nach Argentinien. Was uns dort erwartete, hatte ich seit Anfang der Sechziger nicht mehr erlebt. Der pure Wahnsinn. Die Stones waren nie in Argentinien gewesen, deshalb hatte die Beatlemania dort all die Jahre auf Eis gelegen. Als wir ankamen, wurde sie aufgetaut. Und wie! Den ersten Gig spielten wir in einem Stadion vor vierzigtausend Menschen. Ein unglaublicher Krach, eine unglaubliche Energie. Danach konnte ich die Stones davon überzeugen, dass Argentinien ein relevanter Markt war. Offensichtlich standen die Argentinier auf uns. Ich nahm meinen Vater Bert mit nach Buenos Aires in ein großartiges Hotel, das Mansion, eines meiner absoluten Lieblingshotels. Wir hatten eine schicke, wunderschön proportionierte Suite. Beim Aufwachen musste er immer kichern - von draußen drang »Olé, olé, olé, Richards, Richards …« herein. Das hatte er auch noch nicht erlebt, dass sein Name zum Rhythmus der Trommeln gesungen wurde, um ihn zum Frühstück zu rufen. »Ich dachte, die singen für mich«, meinte er.
Mick und ich hatten uns mit unseren Meinungsverschiedenheiten weitestgehend arrangiert,
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