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Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
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Winter seit 1740. Wir hatten ganz schön zu knabbern, um die Shillings aufzutreiben, mit denen wir den Zähler für Heizung, Strom und Gas fütterten. Wir hatten fast nichts, was als Einrichtung
durchgehen konnte, nur Matratzen und einen zerschlissenen Teppich. Aber das kümmerte uns nicht sonderlich. Morgens wachten wir alle drei auf dem Boden auf, und da stand diese riesige Musiktruhe, die Brian mitgebracht hatte, ein Monstrum aus den Fünfzigern.
    Wir hingen im Wetherby Arms in der King’s Road in Chelsea ab und studierten die Musik dort. Ich schlich regelmäßig in den Hinterhof und klaute die Pfandflaschen, die ich dann vorne im Laden wieder einlöste. Eine Bierflasche brachte zwei Pence, was schon damals nicht viel Geld war. Wir klauten auch Pfandflaschen auf den Partys, zu denen wir gingen. Einer schmuggelte sich ein, die anderen durften dann als Rest der Gang auch mit rein.
    Edith Grove war ein lustiges Haus. Im Erdgeschoss wohnten drei Mädels, Lehramtsreferendarinnen aus Sheffield, über uns zwei Schwule aus Buxton. Wir hatten die Wohnung im ersten Stock. Was zum Henker machten wir bloß mitten in Chelsea zwischen all den Nordlichtern? »Willkommen in London« - ohne einen einzigen Londoner, so ist das Leben.
    Die Referendarinnen aus Sheffield sind heute wahrscheinlich Schulleiterinnen. Damals waren sie eine ziemlich heiße Truppe, für die wir allerdings kaum Zeit hatten. Wir waren dauernd auf Achse. Mick und Brian gingen ab und an runter, ich hatte nie was mit ihnen zu tun. Ich stand nicht auf sie. War aber trotzdem praktisch, dass sie da waren. Sie konnten einem gelegentlich ein paar Klamotten waschen. Sonst brachte Bill, der Taxifahrer, unsere Wäsche von Mums Waschmaschinenvorführungen vorbei. Die beiden Homo-Frischlinge trieben sich in den Pubs von Earls Court mit den australischen Schwulen herum, von denen es dort damals jede Menge gab. Earls Court war im Grunde australisches Territorium. Viele von denen ließen nichts anbrennen, in London konnten sie schwuler sein als in Melbourne, Sydney oder Brisbane.
Wenn die Typen über uns von ihren Earls-Court-Streifzügen zurückkamen, hatten sie einen australischen Akzent. »Hello, cobber!« - »Ich dachte, ihr wärt aus Buxton.«
    Wir hatten einen Mitbewohner, der James Phelge hieß. Daher stammt die eine Hälfte unseres frühen Songwriter-Pseudonyms, Nanker Phelge. »Nanker« bezeichnet eine Grimasse, die Brians Spezialität war - man steckt die Finger in jede verfügbare Öffnung des Gesichts und verzerrt es zu einer grässlichen Fratze. Wir hatten über das Bühnenmikro im Ealing Club nach einem Mitbewohner gesucht, der uns einen Teil der Miete abnahm. Phelge muss geahnt haben, auf was er sich da einließ. Er entpuppte sich als der vielleicht einzige Mensch auf diesem Planeten, der mit uns zusammen in einem derart grässlichen Loch hausen und uns obendrein, was vulgäres und unzumutbares Benehmen anging, auch noch ausstechen konnte. Er war jedenfalls der Einzige, der willens war, mit dieser Bande von Nachtschwärmern zusammenzuleben, die verzweifelt versuchten, ihren Scheiß auf die Reihe und einen Gig zu kriegen. Zusammen waren wir einfach nur ein Haufen Idioten. Wir waren damals noch Teenager, wenn auch schon an der oberen Grenze. Wir forderten uns gegenseitig heraus: Wer konnte widerlicher sein als der andere? Du meinst, du schaffst, dass es mir hochkommt? Wirst schon sehen. Wenn wir nachts von einem Gig nach Hause kamen, stand Phelge mit seiner verschissenen Unterhose über dem Kopf oben an der Treppe und sang »Welcome Home«. Oder er pisste von oben auf uns runter. Oder rotzte uns an. Phelge war ein ehrgeiziger Rotzer. Er saugte den Schleim aus jedem Winkel seines Körpers. Nichts machte ihm mehr Spaß, als mit einem riesigen Schnodder von den Nase bis runter zum Kinn, ansonsten aber ausgesprochen höflich, in einen Raum zu marschieren. »Hallo, wie geht’s Ihnen? Sie sind also Andrea … und Sie Jennifer?« Wir hatten Namen für
alle möglichen Arten von Rotze: Green Gilberts, Scarlet Jenkins. Einer hieß Gabardine Helmsman , das ist der, mit dem man nicht rechnet: Man niest ihn raus, und er klatscht dir wie ein Orden ans Revers. Ein Brüller. Ein anderer hieß Yellow Humphrey . Flying V war der, den man versehentlich am Taschentuch vorbeischnäuzte. Damals waren die Leute unaufhörlich erkältet. Ständig lief ihnen irgendwelches Zeug aus der Nase, von dem sie nicht wussten, wohin damit. Koks kann’s nicht gewesen sein, das gab’s erst

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