Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Life - Richards, K: Life - Life

Titel: Life - Richards, K: Life - Life Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Richards
Vom Netzwerk:
waren, sagten jetzt: »Wow, ihr wart in den Staaten!« Uns wurde plötzlich klar, dass allein durch die Amerika-Tour eine Kluft entstanden war. Und das machte unsere englischen Fans richtig sauer. Den Beatles passierte das Gleiche. Wir waren nicht länger »ihre« Band. Wir spürten eine gewisse Feindseligkeit, die uns nirgendwo deutlicher entgegenschlug als in Blackpool, wo wir ein paar Tage nach unserer Rückkehr im Empress Ballroom spielten. Wir stellten uns einmal mehr dem Mob, der aber diesmal aus einem pöbelnden, nach Blut lechzenden Haufen von Volltrunkenen bestand. Es war
die sogenannte Scotch Week . Alle Fabriken in Glasgow waren dicht, und fast jeder fuhr runter ins Seebad Blackpool. Der Laden ist rammelvoll, massenhaft stinkbesoffene Leute in ihren besten Sonntagsklamotten. Und als wir anfangen zu spielen, rotzt mich doch plötzlich so ein kleines rothaariges Arschloch an. Ich trete also auf der Bühne ein Stückchen zur Seite, aber der Typ folgt mir, rotzt mich wieder an und trifft mich voll im Gesicht. Ich stehe direkt vor ihm, und er spuckt noch mal. Sein Kopf ist auf Höhe der Bühne, fast genau vor meinen Füßen, wie beim Elfmeter. Ich hole aus und treffe volle Kanne seinen Scheißschädel, WAMM!, elegant wie Beckham. Davon hat sich der Kerl sicher nie wieder erholt. Dann brach der Tumult los. Sie zertrümmerten alles, sogar das Klavier. Was wir von unserer Anlage wiedersahen, waren auf wenige Kubikzentimeter geschrumpfte Trümmerteile, aus denen die Drähte raushingen. Mit Ach und Krach gelange es uns, heil aus dem Saal zu kommen.
    Kurz nach unserer Rückkehr aus den Staaten traten wir bei Juke Box Jury auf , einer altbekannten Show mit Fernsehmoderator David Jacobs, in der die Promis in der »Jury« über von Jacobs gespielte Platten diskutierten und dann abstimmten: Hit oder Flop. Das war eins dieser bahnbrechenden Ereignisse, das wir zuerst überhaupt nicht richtig einordnen konnten. In den Medien wurde es später als Kriegserklärung zwischen den Generationen bezeichnet, als Ursache für Aufruhr, Angst und Hass. Am selben Tag hatten wir eine Show namens Top of the Pops aufgezeichnet, um den Verkauf unserer Bobby-Womack-Single »It’s All Over Now« anzukurbeln. An die Playback-Singerei hatte ich mich inzwischen schon einigermaßen gewöhnt, so lief das eben. In wenigen Shows konnte man live spielen. Dieses beschissene Geschäft machte uns allmählich zynisch. Wir erkannten, dass wir, ohne selbst Gangster zu sein, in einer der schmierigsten Branchen überhaupt mitmischten.
Gelacht wurde in dieser Branche nur, wenn man einen anderen über den Tisch gezogen hatte. Ich glaube, dass wir damals schon ahnten, welche Rolle man uns zugewiesen hatte, und dass es keinen Zweck hatte, dagegen anzukämpfen - andererseits: Niemand hatte diese Rolle vorher gespielt, wir würden also sicher jede Menge Spaß dabei haben. Und wir scherten uns wirklich einen Scheißdreck um irgendwas. In seinem Buch Stoned schildert Andrew Oldham unseren Auftritt bei Juke Box Jury .
    Andrew Oldham: Ohne dass ich sie dazu ermutigt hätte, führten sie sich auf wie astreine, hundertprozentige Hooligans und schafften es in fünfundzwanzig Minuten, die übelsten Vorurteile der ganzen Nation über sie ein für alle Mal zu bestätigen. Sie maulten herum, rissen Witze, machten gnadenlos das seichte Zeug nieder, das man ihnen vorspielte, und gingen aggressiv den durch nichts zu erschütternden David Jacobs an. Das war keine geplante PR-Strategie. Brian und Bill bemühten sich um ein bisschen Höflichkeit, aber Mick, Keith und Charlie scherten sich einen Dreck darum.
    Wir waren nicht sonderlich witzig oder so. Wir machten einfach jede einzelne Scheibe, die sie uns vorspielten, gnadenlos wieder. Noch während die Platte lief, plapperten wir was von »Also, dazu fällt mir nun wirklich nichts ein« oder »Ist ja nicht zum Aushalten das Zeug, also wirklich«. Währenddessen versuchte David Jacobs die Wogen zu glätten. Jacobs war zwar ein Schleimer, aber eigentlich ein ganz netter Kerl. Bis dahin war für ihn alles so leicht gewesen: Er hatte es mit verlässlichen Variety-Club-Figuren zu tun, mit Helen Shapiro oder Alma Cogan, die alle mit diesen arschglatten Showbiz-Zirkeln verbandelt waren - und dann kamen wie
aus dem Nichts Typen wie wir daher. Sicher hat David damals gedacht: »Na, vielen Dank, BBC, nach diesem Horrorjob ist jetzt aber eine Gehaltserhöhung fällig.« Tja, Kumpel, besser wird’s nicht. Wart bloß ab, bis die Sex Pistols

Weitere Kostenlose Bücher