Life - Richards, K: Life - Life
es ziemlich wenig Radio und kaum Fernsehen gab. Ein Journalist namens Richard Green vom Record Mirror hatte seinen kostbaren Platz dazu benutzt, um sich über meinen Teint auszulassen. Die von ihm beschriebenen Verunstaltungen gab es gar nicht. Da platzte Andrew der Kragen. Zusammen mit Reg stürmte er in das Büro des Journalisten. Während Reg das Fenster etwas hochschob und dann die Hände des Schreibers durch den offenen Spalt nach draußen steckte, sagte Andrew zu Richard Green - ich zitiere wieder Andrews Memoiren:
Andrew Oldham: Heute morgen, Richard, ruft mich eine sehr verletzte und sehr erregte Mrs. Richards an. Du kennst sie nicht, aber das ist Keith Richards’ Mum. Sie sagt: »Mr. Oldham, können Sie nicht irgendwas tun, damit dieser Mann damit aufhört, meinem Jungen Akne anzudichten? Ich weiß, Sie können nichts daran ändern, dass dauernd dieser Mist erscheint, von wegen dass die Jungs sich nicht waschen und so. Aber Keith ist ein sehr empfindsamer Junge,
auch wenn er das Gegenteil behauptet. Bitte, Mr. Oldham, können Sie da nicht was unternehmen?« Also, Richard, jetzt weißt du Bescheid. Wenn du jemals wieder was über Keith schreibst, das neben der Spur ist oder die Gefühle seiner Mum verletzt, dann werde ich deine Hände genau da wieder hinlegen, wo sie jetzt liegen, weil ich mich nämlich verantwortlich fühle für Keiths Mum. Mit einem großen Unterschied. Reg wird dann nämlich dieses Scheißfenster auf deine hässlichen Hände herabsausen lassen, und dann wirst du eine beschissen lange Zeit nicht mehr schreiben können, du bösartiges Stück Scheiße. Und weißt du was? Diktieren wirst du auch nicht mehr können, weil nämlich dein Maul zugenäht sein wird, nachdem Reg dir auch noch dein verschissenes Kinn gebrochen hat.
Dann empfahlen sie sich und verschwanden. Erst als ich sein Buch gelesen hatte, erfuhr ich, dass Andrew zu der Zeit noch bei seiner Mutter lebte. Vielleicht hatte das was damit zu tun. Er war intelligenter und gerissener als die Arschlöcher, die die Medien beherrschten, oder die Bosse der Plattenfirmen, die keinen Schimmer davon hatten, was da draußen vor sich ging. Man stürmte einfach rein und raubte die ganze Bank aus. Ein bisschen wie in Clockwork Orange . Niemand skandierte: »Wir wollen die Gesellschaft verändern«; wir wussten einfach, dass die Dinge sich änderten und dass sie verändert werden konnten. Sie hatten es sich definitiv zu gemütlich gemacht, sie waren einfach zu satt. Wir dachten nur: »Lasst uns die Sau rauslassen!«
Wir rannten allesamt gegen die Backsteinmauer des Establishments an. Das war eine Welle, die nicht aufzuhalten war. Als ob irgendjemand was sagt und du darauf die beste aller Antworten hast. Es muss einfach raus, auch wenn du weißt, dass du dich damit
in die Scheiße reitest. Was du sagen willst, ist einfach zu gut, als dass du es dir verkneifen könntest. Du hättest sonst vor dir selbst das Gefühl, als Schlappschwanz dazustehen.
Eine Zeit lang versuchte Oldham es als Produzent wie auch als Manager seinem Idol Phil Spector gleichzutun. Anders als Spector war er aber im Studio kein Naturtalent. Ich glaube kaum, dass Andrew mich als Lügner bezeichnen würde, wenn ich behaupte, dass er nicht mal sonderlich musikalisch war. Er wusste, was ihm gefiel und was anderen Leuten gefallen würde, aber wenn man von ihm hätte wissen wollen, was der E7-Akkord ist, hätte man ihn auch gleich nach dem Sinn des Lebens fragen können. Für mich ist ein Produzent einer, bei dem am Ende des Tages alle aus dem Studio kommen und sagen: »Mann, wir haben’s geschafft.« Andrews musikalischer Beitrag war minimal, er beschränkte sich gewöhnlich auf den Backgroundchor. Hier vielleicht noch ein bisschen lalala? Okay, legen wir noch’ne Spur drunter. In unsere musikalischen Entscheidungen mischte er sich nie ein, ob er nun unserer Meinung war oder nicht. Als vollwertiger Produzent, jemand, der was von Aufnahmetechnik und von Musik versteht, war er eindeutig eine Niete. Aber er hatte eine Nase für den Markt, vor allem seitdem wir zusammen in Amerika gewesen waren. Als er amerikanischen Boden betrat, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er erkannte, worauf wir aus waren, und ließ uns mehr oder weniger unseren Willen. Das war, glaube ich, im Wesentlichen das Geniale an Andrews Art zu produzieren: Wir konnten unsere Platten machen, und er pumpte jede Menge Energie und Enthusiasmus in die Ergebnisse. Wenn du einen Take zum dreißigsten Mal aufnehmen
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