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LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

Titel: LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Everson
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hatte, den Takt aufzunehmen und die richtigen Akkorde auf den Saiten zu greifen, wenn aus den Boxen ein Lied dröhnte. Später hatte Josh Gitarrenstunden genommen und war schließlich besser gewesen als sein alter Herr, auch wenn es wohl keiner von ihnen je bis auf eine Bühne geschafft hätte.
    Evan nahm die Klampfe aus dem Ständer und blies mit einem heftigen Pusten eine Staubwolke von ihrem Hals. Anschließend setzte er sich aufs Bett, fing an, ein bisschen herumzuzupfen, und zuckte zusammen, als die ersten Misstöne durch den Raum klirrten. Indem er den siebten Bund der zweitstärksten Saite drückte, begann er, die Gitarre behutsam nach Gehör zu stimmen. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass zumindest die Harmonien untereinander halbwegs stimmten, fing er an, ein simples Lied zu klimpern, das er oft gespielt hatte, als Josh noch ganz klein gewesen war.
    »Don’t you know, I love you so. Never never never gonna let you go«, sang Evan leise vor sich hin. »And when you’re big, it won’t be long. I will still be singin’ this song …«
    Er verstummte abrupt und wischte sich eine Träne aus dem linken Augenwinkel. Evan konnte sich noch gut daran erinnern, wie er dieses Liedchen selbst geschrieben hatte, damals, als Josh noch als Säugling in seinem Körbchen lag. Als Evan es ihm das erste Mal vorspielte, hatte der Junge mit seinen pummeligen Ärmchen in der Luft gerudert, als wollte er den Takt vorgeben.
    »Don’t you know, I love you so. Never never never gonna let you go«, flüsterte Evan, stellte die Gitarre auf dem Teppich ab und nahm stattdessen einen der Pokale, die Josh beim Schwimmen gewonnen hatte, in die Hand. Er verstaute ihn im Karton, gefolgt von einem weiteren, dann noch einem dritten, bis ihn der Mut verließ und er es nicht länger aushielt. Er setzte sich auf den Boden, verbarg das Gesicht in den Händen und ließ seinen Tränen freien Lauf.
    »Tut mir leid«, schluchzte er in das leere Zimmer hinein. »Es tut mir so unendlich leid.«
    Evan ließ seinen Schmerz und die angestaute Trauer heraus; er war es inzwischen gewohnt, die Tränen fließen zu lassen. Nach Joshs Tod hatte er eine Zeit lang versucht, tapfer zu sein und sich das Weinen zu verkneifen. Doch nachdem er erst einmal damit angefangen hatte, wenn ihm danach war, stellte er fest, dass die Phasen, in denen er sich schlecht fühlte, kürzer und kürzer wurden. Er hatte die reinigende Kraft der Tränen für sich entdeckt.
    So saß er nun mitten im Zimmer seines Sohnes auf dem Fußboden, das Gesicht in den Händen verborgen, und heulte wie ein Schlosshund. Je eher er damit anfing, desto eher war es auch wieder vorbei.
    Poch!
    Mit einem dumpfen Knall krachte etwas gegen das Fenster. Evan schniefte und fuhr sich in dem Versuch, sein Gesicht zu säubern, mit der Hand über Augen und Nase. Was zur Hölle war das gewesen? Es klang beinahe, als hätte es um ein Haar die Scheibe durchschlagen.
    Er sprang auf und setzte sich Richtung Fenster in Bewegung. Dort hingen immer noch die anthrazitgrauen Vorhänge, die Josh selbst ausgesucht hatte.
    Evan hatte bereits den Finger nach dem Stoff ausgestreckt, um ihn zur Seite zu schieben, als erneut etwas gegen das Glas knallte.
    Poch!
    Er zuckte zurück. »Was zum Teufel …?«
    Sein Herz klopfte wie wild. Wer warf da mit irgendwelchen Sachen auf das Fenster?
    Zaghaft zog Evan die schweren Vorhänge beiseite und starrte nach draußen. Der Morgen entwickelte sich zu einem wunderbar grauen Tag, trüb genug, um sich die Pulsadern aufzuschneiden. Evan hegte nicht den geringsten Zweifel, dass noch vor dem Abendessen ein Unwetter heraufziehen würde.
    Kleine immergrüne Sträucher begrenzten die Ränder seines Blickfelds. Direkt vor sich sah Evan die offene Rasenfläche des Vorgartens, dahinter den Asphalt der wie ausgestorben daliegenden Straße. Der Ziegelstein-Bungalow der Aramonds von gegenüber wirkte ebenso leer und verlassen wie alles andere, was er von hier aus erkennen konnte.
    »Hmm«, machte Evan nachdenklich und ließ den Vorhang los. Er beschloss, nach draußen zu gehen, um nach dem Rechten zu sehen.
    In der Umgebung herrschte Totenstille, als er hinaustrat. Merkwürdig für einen Samstag, allerdings war es ziemlich kalt und stürmisch. Nicht unbedingt ein Tag, an dem man gerne an den Strand ging!
    Evan trat von der Veranda herunter und ging an der Seite des Hauses entlang, an der sich dicht über dem Boden Joshs Fenster befand. Das Haus war an einen Hang gebaut. Während die eine

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