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LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)

Titel: LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Everson
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schnappten nach Luft. Dabei schickten sie ihre toten Artgenossen schlitternd über den Beton. Tote Fischaugen starrten Evan vorwurfsvoll an. Er schnitt eine Grimasse und sah weg.
    »Was hat das zu bedeuten?«, rätselte er ebenfalls.
    »Das fragte ich doch gerade«, erwiderte Sarah. »Wer zum Teufel kippt einen Haufen Fische auf unsere Veranda?«
    Evan zuckte die Achseln. »Ein Dummejungenstreich? Keine Ahnung!«
    »Das ist ja unheimlich«, meinte sie. Angewidert verzog sie das Gesicht. »Könntest du die bitte wegschaffen, bevor die Fliegen drangehen? Ich will den Gestank nicht beim Mittagessen riechen.«
    »Darf ich mir vielleicht erst was anziehen?«, bat er. Sie zuckte die Achseln, ehe sie zurück in die Küche trottete.
    Er blieb noch einen Moment in der Tür stehen und starrte auf die stumpfen, leeren Augen der Fische. Sie wirkten wütend, anklagend. Die Ereignisse der vergangenen Nacht spiegelten sich in ihnen wider; als er mit Ligeia Schluss gemacht und sie am Strand stehen gelassen, sich für immer von ihr verabschiedet hatte.
    Tief im Innern war ihm klar, was es mit den Fischen auf sich hatte. Sie waren für ihn bestimmt. Ein Geschenk von Ligeia. Aber … was für eine Art von Geschenk? Ein gehässiges Lebewohl? Oder war es schlicht und ergreifend ihre Art, ihn wissen zu lassen, dass sie wusste, wo er wohnte? Was wollte sie ihm mitteilen?
    Er schloss die Tür und ging, um sich eine Jogginghose anzuziehen, damit er die Kadaver mit einer Schaufel aufnehmen und hinten im Garten auf dem Komposthaufen entsorgen konnte. Gut möglich, dass die Katzen aus der Nachbarschaft sich genüsslich darauf stürzten, lange bevor sie verwest waren. Trotzdem, warum sollte er die Chance auf guten Dünger vergeben? Allerdings fragte er sich, ob dieser spezielle Dünger den Boden nicht eher vergiften als anreichern würde.
    Evan schüttelte den Gedanken ab und zog sich an. Sarah blieb in der Küche hocken. Wie sie sich so an ihre Kaffeetasse klammerte, wirkte sie wie ein Junkie. Seine Frau war ein Morgenmuffel und brauchte immer erst eine Dusche und eine anständige Dosis Koffein, bevor sie ansprechbar war. Als er auf dem Weg nach draußen an ihr vorbeiging, betrachtete er im grauen Morgenlicht ihr Profil. Der Anblick beunruhigte ihn. Wie sie da am Küchentisch saß und durch die offene Schiebetür in den Garten hinter dem Haus starrte, kam sie ihm dermaßen zart und zerbrechlich vor, so einsam, dass Evan sie am liebsten umarmt und an sich gedrückt hätte, um ihr zu demonstrieren, dass er ihr und nur ihr allein gehörte.
    Sarah wusste nicht, was er ihr angetan hatte. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, weshalb ihnen jemand Fische vor die Haustür legen sollte. Der Gedanke verursachte ihm Übelkeit in der Magengrube. Und wieder war es ganz allein seine Schuld. Um ein Haar hätte seine Schwäche ihr ganzes Leben aus der Bahn geworfen. Er wollte Sarah nicht noch mehr verletzen. Er wollte die letzten paar Wochen, in denen er sie, wenn auch auf ziemlich sonderbare Art und Weise, aber doch unleugbar betrogen hatte, hinter sich lassen und gemeinsam mit den Fischen – und der Vergangenheit, ja, und zwar der ganzen – begraben. Dauerhaft.
    Die Erinnerung an Josh würden sie niemals auslöschen können und das wollten sie auch nicht. Bis an sein Lebensende würde er die Schuld am Tod seines Sohnes mit sich herumtragen. Trotzdem mussten sie den Schmerz überwinden, der ihnen Tag für Tag wie ein Mühlstein um den Hals hing. Viel zu lange schon standen sie reinste Höllenqualen aus. Evan schätzte, dass ihm und Sarah noch 30 bis 40 gute Jahre auf diesem Planeten blieben. Er wollte sie nicht in jenem grauenhaften Teufelskreis gegenseitiger Schuldzuweisungen verbringen, in den sie seit Joshs Beerdigung geraten waren.
    Evan grub ein Loch in den modrigen Komposthaufen, eine Mischung aus Kaffeesatz, gemähtem Gras und verrottenden Essensresten, die sich die Aasfresser hatten entgehen lassen. Nachdem die Öffnung etwa 80 Zentimeter tief war, kippte er die Fische aus der Plastiktüte, in der er sie transportiert hatte, hinein und schüttete sie wieder zu. Das Grau des Morgennebels begann sich gerade erst zu lichten. Als er das letzte Stückchen Erde festklopfte, fühlte er sich bereits merklich besser.
    Nachdem er die Schaufel wieder verstaut hatte, begab er sich zurück ins Haus und auf direktem Weg in die Küche, wo er sich hinter Sarah stellte, um ihr die Hände auf die Schultern zu legen und sie zu umarmen.
    »Es reicht«, erklärte er.

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