LIGEIA - Ein erotischer Horrorthriller (German Edition)
Gesang war längst verklungen. Cauldry empfand nur noch Schmerzen, und die Enttäuschung darüber, dass die Frau, mit der er so flüchtig Liebe gemacht hatte – und zwar auf eine Weise, die ihn weit mehr befriedigt hatte als bei jedem anderen Mädchen, mit dem er bislang zusammen gewesen war –, nur eines von ihm wollte. Nein, nicht Sex. Sie wollte sein Leben.
Während er in die Knie ging und sein Kopf gegen die kalten, fremdartigen Fischschuppen ihrer Beine sackte, begriff er, dass sie ihr Ziel erreicht hatte.
32
Die Luft schwirrte. Okay, vielleicht nicht unbedingt die Luft, eher der Inhalt von Evans Schädel. Benebelt von insgesamt vier Bier und einem Abend voller Gelächter und dröhnendem Kneipenlärm, bei dem er am Schluss sein eigenes Wort nicht mehr verstanden hatte. Er blinzelte träge und wankte schwerfällig den Bürgersteig entlang – zu Fuß von Delilahs Hauptstraße in das an der Bucht gelegene Viertel, in dem er wohnte. Er hoffte, der zehnminütige Spaziergang würde ihm helfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sarah trank zwar ständig zu viel und kam dann lallend und schwankend nach Hause, aber er wollte es ihr nicht unbedingt mit gleicher Münze heimzahlen.
Als er an der Einfahrt anlangte, stürmten die Ereignisse des Vormittags erneut auf ihn ein. Während der Unterhaltung mit Bill in den letzten paar Stunden war es ihm erfolgreich gelungen, sie auszublenden. Nun spielte sich vor seinem geistigen Auge alles noch einmal ab und es schnürte ihm die Brust zusammen. Evan ertappte sich dabei, wie er in den Schatten Ausschau nach Möwenkadavern hielt.
Doch auf dem Rasen und im Vorgarten war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Er ging an die Haustür und holte tief Luft, ehe er die Schlüssel aus der Tasche kramte und aufschloss. Er fragte sich, ob Sarah schon zu Hause war; ansonsten war es gut möglich, dass er ihr um zwei Uhr morgens hinterherwischen durfte, nachdem sie ihr letztes Bier in das Ehebett erbrochen hatte. Und er wusste nicht, ob er dazu heute Nacht noch die Kraft besaß.
Im Wohnzimmer war alles ruhig, als er seine Schuhe abstreifte und sich am Türrahmen festhalten musste, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Das Haus wirkte komplett verlassen. Evan stöhnte innerlich auf. Ihm war klar, dass er selbst viel zu spät dran war. Wenn Sarah sich immer noch in der Stadt herumtrieb …
Er betrat die Küche. Der Timer der Mikrowelle zeigte 0:43 Uhr an. Wo auch immer sie sein mochte, sie würde bald nach Hause kommen. Er trabte durch den Flur zum Schlafzimmer. Vor Joshs Zimmer blieb er kurz stehen, um einen Blick in die Leere zu werfen, die er dort erzeugt hatte … Gott … das war erst heute Morgen gewesen. Die Geister der Poster, Anstecker, CDs und des anderen Krempels, der dort seit Jahren unberührt überdauert hatte, schienen ihn mahnend anzusehen.
Es wurde Zeit für einen Neubeginn, dachte er bei sich. Allerhöchste Zeit.
Evan zog sein Hemd aus und schleuderte es auf dem Weg zum Bad in Richtung Wäschekorb. Mit einem müden Blinzeln klappte er den Toilettensitz hoch und entledigte sich eines schier endlosen Strahls, spülte und quetschte etwas unbeholfen Zahnpasta auf die Bürste in seiner zittrigen Hand.
Nachdem er den Biergeschmack in seinem Mund erfolgreich bekämpft hatte, schlüpfte er aus Jeans und Unterhose und schlurfte zurück ins Schlafzimmer, wo die Hose dem Hemd Gesellschaft leisten durfte. Er legte sich unter die Bettdecke und rechnete fest damit, dass sich das Zimmer zu drehen beginnen würde, sobald er die Augen schloss.
Das Kissen unter seinem Kopf fühlte sich wunderbar weich an, doch als er seine Füße unter der Decke bewegte, spürte er etwas Kaltes, Feuchtes am Knie. »Was zum Teufel ist das?«, murmelte er und langte hinunter, um die Stelle genauer zu untersuchen. Sie war kalt und sehr feucht, regelrecht klamm … und unter seinen Fingern ertastete er etwas Kleines … mehrere kleine Dinger … inmitten der Nässe.
Evan streckte die Hand aus und knipste die Nachttischlampe an. Anschließend schlug er die Decke zurück und inspizierte die Matratze. Das Laken war eindeutig nass – ein dunkler Fleck bedeckte die Hälfte, in der Sarah normalerweise schlief, und in dem gedämpften gelben Licht glitzerten kleine, silbrige Punkte. Er beugte sich näher heran, sammelte einen davon mit den Fingerspitzen auf und hielt ihn ins Licht.
Eine Fischschuppe.
»Hm?«, sagte er zu sich selbst.
Evan hörte, wie sich im Badezimmer etwas rührte. Er blickte auf
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