Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
hatte niemanden alarmiert. Die Straße schlief noch. Wobei hier ein Autoradiodiebstahl sowieso niemanden aus dem Bett geholt hätte.
Lila nahm das Band aus dem beschädigten Gerät und überprüfte die Verkabelung auf irgendetwas Auffälliges. Es war ein ganz normaler Rekorder. Das einzig Ungewöhnliche war die Vorrichtung, die ihn die Signale der alten Wanze im Studiogebäude empfangen ließ. Sie schloss das Gerät an eine Buchse in ihrem Arm an und hörte nach dem Zufallsprinzip in das Band hinein. Es war ganz normales Zeug – Leute im Studio, die redeten, Anlagen aufbauten, spielten. Nichts, was sie sagten, schien sich auf irgendetwas anderes als die unmittelbare Situation zu beziehen. Sie ging es im Schnellvorlauf durch. Der Himmel wurde heller und die Wolken verzogen sich. Lila hörte, wie es im Studio still wurde und alle gingen.
Sie hörte das Rotieren der Kassettenspulen, die leisen Geräusche des Studiogebäudes, das Band selbst, das den Tonkopf streifte, und unter all dem die schwache Spur eines Flüsterns, wie das imaginäre Echo einer uralten Stimme, die eindringlich in einer längst vergessenen Sprache sprach, einer Sprache, die schon lange vor dem Auftritt der Menschheit und der Erfindung der Quantenbombe untergegangen war. Sie musste an das denken, was Malachi über einen möglichen Bombenriss in diesem Gebiet gesagt hatte. Sie nahm die Kassette an sich, ließ das Radio auf dem Beifahrersitz liegen und die Wagentür offen, damit es wie ein gewöhnlicher Autoeinbruch aussah.
Ihre Schulter tat schon weniger weh, als sie einen Block weiter zur großen Straße ging und sich einen Krispy Kreme Donut und einen Kaffee kaufte. Bei ihrem Motorrad angekommen, legte sie den Donut auf den Tank und trank, den Fuß auf den Kickstarter gestützt, ihren Kaffee, während sie Sarasilien von ihrer Entdeckung berichtete.
»Gute Arbeit«, sagte er routinemäßig. »Schicken Sie mir das Band, ich untersuche es für Sie. Malachi und das Team sagen, die Busse sind schon in Frisco, Sie können also jederzeit dort dazustoßen.«
»Was ist mit Dar?«, fragte sie.
»Er hat die Arena mit den übrigen Konzertbesuchern verlassen. Einer unserer Agenten hat ihn nach zweihundert Metern aus den Augen verloren. Ich glaube, Sie können damit rechnen, ihn wiederzusehen.«
Lila verzog das Gesicht. »Okay, ich werde die Augen nach ihm offen halten.«
»Wie geht es Ihnen?«
»Gut«, sagte sie. »Könnte noch etwas Schlaf gebrauchen, wie Sie schon sagten, aber sonst ist alles bestens. Ich werde mir jetzt mal die Spinnweben aus dem Kopf blasen lassen. Bis später.«
»Gute Reise«, sagte Sarasilien auf Elfisch.
Lila steckte die Kassette in ein Smartseal-Pack und übergab sie einem Fahrradkurierdienst mit dem Auftrag, sie in den Nachteinwurf des Incon-Hauptquartiers zu stecken. Dann klappte sie ihr Helmvisier herunter und fuhr zum Küstenhighway. Die Autobahn weiter landeinwärts wäre schneller gewesen, aber sie wollte ein bisschen Zeit für sich und die Möglichkeit, mit ihrer Angst zu spielen, indem sie die Maschine tief in die engen Kurven der Küstenstraße legte.
Es war Mittag, als sie auf dem heißen, sonnenversengten Parkplatz des Cherry Park Hotels ankam. Kein Campingleben im Tourbus für Zal und die übrigen Bandmitglieder, ausschließlich Hotels mit eigener Security und jedwedem Luxus, der für Geld zu bekommen war. In diesem Hotel gab es bestimmt kein Zimmer, das nicht einen durchschnittlichen Wochenlohn kostete.
Lila ließ die Maschine im Schatten des nagelneuen Baus im Postkolonialstil stehen und traf Malachi in einem gefliesten Innenhof im Herzen des Komplexes, wo zwischen Palmen und Springbrunnen ein großer Pool lag. Malachi versprach, der Sache mit der Bruchlinie persönlich nachzugehen, sobald er wieder in der Stadt war. Dann zog er seine trendige Fliegenaugen-Sonnenbrille ein Stück herab und sagte: »Ich habe ein paar Nachforschungen über diesen Feengesangsverein angestellt. Sandy ist sauber, aber Viridia und Poppy sind nicht ganz lupenrein. Mein altes Eschenclanherz sagt mir, dass mindestens eine von ihnen eine Each Uisge ist, vielleicht sogar beide, aber ich kann es nicht beweisen. Ganz schön rabiate Sangesschwestern, die Zal da als Backing hat.«
»Ek Uuschka?«, wiederholte Lila leise. Sie bekam die Aussprache des seltsamen Feenworts trotz Kl-Unterstützung nicht richtig hin. »Was ist das?«
»So was wie Wassergeister, nur schlimmer. Wassergeister pflegen ihre Opfer zu ertränken, aber Each Uisge sind
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