Liliane Susewind – Delphine in Seenot (German Edition)
»Sie laufen auf das Menschenmädchen zu …«
»Sie werden sich um das Kind kümmern. Lasst uns schnell verschwinden, bevor sie uns sehen«, sagte die Anführerin.
Lilli hörte dem Gespräch der Delphine zu, aber sie war zu schwach, um etwas zu sagen. Wie gern hätte sie sich bei ihnen für ihre Hilfe bedankt! Dann herrschte Stille im Wasser. Offenbar waren die Delphine fort.
Ihr Vater war als Erster bei ihr. »Lilli, o mein Gott!«
»Alarm! Alarm!«, bellte Bonsai aus Leibeskräften.
Frau von Schmidts Schnurrhaare kitzelten Lilli im Gesicht. »Sie weilt definitiv noch unter den Lebenden«, stellte die Katze fest.
»Kind, was hast du dir nur dabei gedacht, mitten in der Nacht allein ins Wasser zu gehen?«, fragte ihre Oma.
Lilli öffnete mühsam die Augen. Sie blickte in das vor Angst starre Gesicht ihrer Mutter.
»Ich bin von Delphinen gerettet worden«, flüsterte Lilli. Dann verlor sie das Bewusstsein.
Familie Susewind in Aufruhr
Lilli hatte einen wunderbaren Traum. Sie schwamm leicht wie eine Wolke mit den Delphinen im Meer. Lachend sauste sie neben Fitz und Zapp durch das Wasser, schnell wie ein Sonnenstrahl. Doch dann erwachte sie.
»Die Geschichte mit den Delphinen ist doch Unsinn«, hörte Lilli ihre Mutter sagen. »Wenn es in der Nordsee Delphine gäbe, hätte man das doch bestimmt in den Nachrichten gebracht.«
Lilli wollte die Augen nicht öffnen. Am liebsten wäre sie sofort wieder eingeschlafen und hätte weiter von den Delphinen geträumt.
Da hörte sie die Stimme ihres Vaters. »Lilli würde sich so etwas doch nicht ausdenken! Sie hat noch nie gelogen.«
»Was hätte sie für einen Grund, so etwas zu behaupten, wenn es nicht wahr wäre?«, pflichtete Lillis Oma ihm bei.
Lilli rührte sich nicht. Ihre Familie schien sich um ihr Bett versammelt zu haben. Würde ihre Mutter sie dafür bestrafen, dass sie vergangene Nacht allein schwimmen gegangen war? Und wie konnte sie den anderen beweisen, dass die Delphine sie tatsächlich gerettet hatten?
»Es gab in der Nordsee bisher keine Delphine, weil das Wasser zu kalt für sie war. Aber durch den Klimawandel hat sich die Wassertemperatur erhöht.« Das war Jesahja. »Theoretisch müssten Delphine hier überleben können – zumindest im Sommer.«
Es herrschte Stille. Lilli hätte wetten können, dass die Erwachsenen Jesahja gerade ungläubig anstarrten. Es war wirklich unglaublich, wie viel Jesahja in seinem Alter schon wusste. Und wenn er einmal etwas nicht wusste, fand er stets Mittel und Wege, sich die fehlenden Informationen zu beschaffen. Er war nicht nur der intelligenteste Junge, dem Lilli je begegnet war, er war auch der neugierigste.
»Ich bin gestern mit Genovevas Computer ins Internet gegangen, um ein bisschen zu recherchieren«, erklärte Jesahja nun und klang beinahe kleinlaut.
»Es wäre also tatsächlich möglich, dass Lilli Delphine gesehen hat?«, fragte Lillis Oma.
»Ja«, erwiderte Jesahja. »Außerdem hat Lilli gesagt, dass es Delphine waren. Also stimmt es auch.«
Lilli überkam ein warmes Gefühl der Dankbarkeit. Sie musste Jesahja nichts beweisen. Er glaubte ihr auch so!
»Lilli, bist du wach?«, fragte in diesem Moment ihr Vater. »Du lächelst ja!«
Lilli bemerkte, dass sie tatsächlich lächelte. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als die Augen zu öffnen. Alle standen um ihr Bett herum, wie sie vermutet hatte, und alle sahen sie besorgt an.
»Geht es dir gut? Tut dir was weh?«, fragte ihr Vater und legte ihr behutsam die Hand auf die Stirn, als wollte er überprüfen, ob sie Fieber hatte.
»Nein, ich glaube, es ist alles okay«, entgegnete Lilli mit krächzender Stimme. Ihr Hals fühlte sich rau an.
»Du hast gestern Nacht viel Wasser geschluckt, aber der Arzt hat gesagt, dass ansonsten alles in Ordnung ist.« Ihr Vater strich ihr liebevoll übers Haar.
»Wieso bist du allein schwimmen gegangen?«, fragte ihre Mutter und setzte sich zu Lilli aufs Bett. Ihre Stimme war so angespannt wie ihr Gesicht.
»Ich wollte versuchen zu schwimmen wie Bonsai«, erklärte Lilli. »Und es hat funktioniert!« Dann erzählte sie die ganze Geschichte, und alle hörten ihr aufmerksam zu.
Als Lilli geendet hatte, sagte ihre Mutter in scharfem Ton: »Eigentlich würde ich dich am liebsten keine Minute mehr aus den Augen lassen. Du hast wirklich nur Unfug im Kopf! Zu schwimmen wie Bonsai! Das ist absolut hirnrissig und –«
»Regina!«, durchschnitt die Stimme von Lillis Oma ihren Wortschwall. Frau Susewind schnaubte
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