Liliane Susewind – Ein Panda ist kein Känguru (German Edition)
»Leckerchen bekommen. Im Garten geschnuppert. Mit Schmidti gespielt. Den Nacktkopf angebellt.«
»Den Nacktkopf? Oh, du meinst den Briefträger mit der Glatze?«, hakte Lilli nach.
»Glatze?«, wuffte Bonsai. »Heißt das, oben ohne Fell?«
Da ertönte eine durchdringende Stimme, die Lilli sehr gut kannte: »Herr von Bonsai und ich haben heute Morgen eine Federgesellschaft aus dem Garten verjagt.« Gleich darauf erschien der Kopf einer orange getigerten Katze zwischen den Blättern. »Ich muss sagen, das war ein äußerst vergnüglicher Zeitvertreib«, miaute das hübsche Tier und kam mit eleganten Schrittchen näher.
»Frau von Schmidt, ich grüße Sie«, rief Lilli. »Wie schön, Sie zu sehen«, fügte sie artig hinzu, denn sie wusste, dass die Katzendame sehr viel Wert auf gute Manieren legte.
»Sag ihr von mir auch Hallo«, bat Jesahja, und Lilli übersetzte sofort. Frau von Schmidt ignorierte Jesahja jedoch. Sie konnte ihn nicht besonders gut leiden – obwohl sie seiner Familie gehörte – und deshalb war eine Unterhaltung mit ihm einfach unter ihrem Niveau.
»Hey Schmidti!«, grölte Bonsai, lief zu der Katze und schleckte ihr überschwänglich über die edlen Schnurrhaare und die zarte Nase. »Das mit den Flügelfuzzis heute Morgen war super, oder?«
Frau von Schmidt antwortete nicht. Diesmal lag es allerdings allein daran, dass sie Bonsai nicht verstand – sie war eine Katze und sprach ausschließlich Katzisch. Bonsai wiederum war ein Hund und sprach ausschließlich Hundisch. Die beiden waren dennoch gute Freunde, und das lag vor allem daran, dass Lilli für sie übersetzte. So wie auch jetzt. »Bonsai sagt, er habe Ihr gemeinsames Jagderlebnis sehr genossen, Madame.«
»Wunderbar«, seufzte die Katze. »Ich empfand die Unternehmung ebenfalls als sehr erbaulich.«
Lilli wandte sich an Bonsai. »Schmidti fand’s auch super«, erklärte sie nicht ganz stilgetreu. Die beiden Tiere waren allerdings daran gewöhnt, dass Lilli ihre Ausdrucksweise bei der Übersetzung ein wenig abänderte. Sie hielten das für einen Tick von Lilli. Die Katze hatte nun aber etwas gehört, das sie beim besten Willen nicht akzeptieren konnte. »So etwas!«, begann sie augenblicklich zu zetern. »Habe ich Sie nicht schon mehrfach gebeten, mich immer und unter allen Umständen mit meinem vollen Namen zu betiteln?«
»Oh, entschuldigen Sie bitte, Frau von Schmidt«, sagte Lilli schuldbewusst. »Wie ist denn ansonsten das werte Befinden?«
Die Katze stöhnte und ließ sich mit einer dramatischen Bewegung nieder. »Grässlich!«, miezte sie. »Einfach entsetzlich!«
»Was ist denn los?«
»Es geht mir furchtbar schlecht.« Sie rümpfte die Nase. »Scheußliche Dinge spielen sich ab.«
»Was für Dinge?«
»Haben Sie es etwa noch nicht bemerkt? Mein Schleichgebiet ist krank! Schon wieder.«
»Ihr Schleichgebiet?«, wiederholte Lilli. »Meinen Sie die Hecken? Die Bäume?«
»Krank.« Die Katze schnupfte. »Einfach grauenhaft.«
Lilli runzelte die Stirn. »Aber … wieso glauben Sie, dass die Bäume krank sind?«
Frau von Schmidt blickte Lilli an, als sei diese extrem begriffsstutzig. »Lassen Sie es mich so ausdrücken: Mein Schleichgebiet bekommt eine Glatze.«
»Oh.« Lilli unterdrückte ein Grinsen. »Die Bäume und Sträucher verlieren ihre Blätter –« Lilli wollte eigentlich hinzufügen »weil es Herbst ist«, da miaute die Katze schon mit schriller Stimme weiter: »Ja, und diese abscheuliche Krankheit breitet sich rasend schnell aus! Es ist ein Albtraum!« Frau von Schmidt zog angewidert die Lefzen hoch. »Nicht nur, dass meine Deckung immer kümmerlicher wird, die Blätter fallen mir auch noch ständig auf den Kopf!«
Lilli gluckste und musste sich schwer zusammenreißen, um nicht zu lachen.
»Das ist schon öfter passiert«, erklärte die Katzenlady mit nörglerischer Stimme und schüttelte sich.
»Das letzte Mal wahrscheinlich im letzten Herbst …«
»Herbst? Ist das der Name der Krankheit?« Die Katze wiegte theatralisch den Kopf. »Es ist jedes Mal das Gleiche. Mein Schleichgebiet erkrankt an Herbst, verliert den Bewuchs und braucht dann eine Ewigkeit, um wieder akkurat zu funktionieren.«
»… ungefähr bis zum nächsten Frühling.« Lilli biss sich auf die Lippe, um nicht loszulachen.
Jesahja sah sie neugierig an. »Was sagt sie? Hat Schmidti etwa die Jahreszeiten nicht kapiert?«
Da konnte Lilli nicht mehr anders und prustete los.
Frau von Schmidt betrachtete sie mit säuerlicher Miene.
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