Liliane Susewind – Ein Panda ist kein Känguru (German Edition)
kleine Bärchen hatte ein schneeweißes, flauschiges Gesicht mit schwarz umrandeten Augen und schwarzen Ohren. Eine Pflegerin mit einer grünen Haarsträhne hielt es im Arm. »Da die Mutter das Pandajunge ablehnt, zieht die Pflegerin Arizona Kuchenblum den Kleinen nun mit der Flasche auf«, sagte der Sprecher. »Allerdings besteht nicht viel Hoffnung. Das Junge ist sehr schwach und hat kaum eine Überlebenschance.« Das flaumige Gesichtchen des Pandababys wurde in Großaufnahme gezeigt. Einen kurzen Augenblick lang schaute es direkt in die Kamera und piepste: »Uha? Mama? Angst …«
Lilli lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Da waren die Nachrichten auch schon vorbei, und Frau Susewind machte Anstalten aufzustehen. »Mama«, hielt Lilli sie zurück. Ihre Mutter war immer genauestens über alles informiert. »Was ist denn mit dem Pandababy? Warum hat seine Mutter es verstoßen?«
»Ach, das ist wieder eine dieser Herzschmerz-Tiergeschichten.« Frau Susewind zuckte mit den Achseln. »Tierbabys sind gut für die Quote.«
Lilli überlegte, was ihre Mutter damit sagen wollte, als Jesahja vorsichtig bemerkte: »Das ist keine Antwort auf Lillis Frage.«
Frau Susewind verdrehte die Augen und griff nach ihrem Handy. Offenbar überprüfte sie, ob sie eine SMS bekommen hatte. Währenddessen sagte sie geistesabwesend: »Die Medien berichten schon seit einiger Zeit über dieses Pandababy. Zuerst deshalb, weil Pandanachwuchs immer etwas Besonderes und Seltenes ist. Aber dann hat die Mutter den Kleinen auch noch verstoßen, und das ist natürlich eine noch viel bessere Story.« Sie legte eine Pause ein, denn sie hatte anscheinend eine neue SMS bekommen und las diese nun. Lilli wartete ungeduldig, bis ihre Mutter fertig war, und fragte dann: »Und warum hat die Mutter das Baby verstoßen?«
»Keine Ahnung.« Frau Susewind stand vom Sofa auf. »Tiere machen so was halt manchmal.«
»Aber doch nicht ohne Grund!« Lilli blickte ihre Mutter flehend an und wollte unbedingt noch mehr über den Panda erfahren. Da erst bemerkte Frau Susewind, wie sehr ihre Tochter das Thema interessierte. Sie hielt inne.
»Lilli, misch dich in diese Geschichte bloß nicht ein!«, warnte sie. »Du siehst aus, als ob du am liebsten auf der Stelle nach Zupplingen fahren würdest!«
Lilli senkte den Blick. Daran hatte sie tatsächlich schon gedacht. Bis nach Zupplingen war es gar nicht so weit …
»Schlag dir das aus dem Kopf!«, mahnte ihre Mutter. »Das gibt wieder nur Ärger. Und Ärger kann ich gerade überhaupt nicht gebrauchen!« Damit erhob sie sich, blickte Lilli streng an und ging in die Küche, wo Lillis Vater gerade damit beschäftigt war, das Abendessen vorzubereiten.
Lilli schaute ihr mit unglücklichem Gesicht nach. Ihre Mutter hatte schon immer zu verhindern versucht, dass die Fähigkeiten ihrer Tochter bekanntwurden. Frau Susewind war ihre Karriere beim Fernsehen sehr wichtig, und sie wollte keinesfalls als Mutter eines Mädchens mit »übersinnlichen Kräften« abgestempelt werden. Sie war schließlich eine achtbare Moderatorin! Und nun hatte sie auch noch ihre eigene politische Talkshow. Da war es für sie natürlich wichtiger denn je, dass Lillis Geheimnis nicht herauskam. Lilli seufzte. Ihre Mutter hatte sich zwar schon gebessert und sich damit abgefunden, dass in Lillis Schule und im Zoo alle Bescheid wussten – hin und wieder kam sie sogar mit in den Zoo und zeigte Interesse für das, was ihre Tochter dort tat. Aber das hieß wohl nicht, dass sie Lilli erlauben würde, zu einem fremden Tierpark zu fahren, um dort einem Tier in Not zu helfen. Lilli schüttelte enttäuscht den Kopf. Sie war sicher, dass sie dem Pandakind irgendwie helfen konnte. Wenn sie es nur fragen könnte, was das Problem war, käme sie der Sache bestimmt auf die Spur!
Jesahja schien über das Gleiche nachzudenken. »Wenn du nur einmal mit der Pandamutter reden könntest, würde sie das Baby vielleicht wieder annehmen …«, überlegte er laut.
Lilli schlug sich mit der Hand gegen den Kopf. Daran hatte sie ja noch gar nicht gedacht! Sie könnte nicht nur mit dem Baby sprechen, sondern auch mit der Pandamutter! »Das ist eine geniale Idee!«
Jesahja warf einen Blick zur Küche, wo Lillis Eltern gerade lautstark mit Lillis Oma darüber beratschlagten, was es zum Nachtisch geben sollte. Frau Susewind diskutierte am lautesten.
»Deine Mutter flippt aus, wenn wir nach Zupplingen fahren …«, sagte Jesahja und kratzte sich am Hinterkopf. »Wir
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