Liliane Susewind – Ein Pinguin will hoch hinaus (German Edition)
Gümnich. Wieso fällt der auf so eine billige Masche rein?«
»Das verstehe ich auch nicht.«
Trixi spähte um die Ecke der Schließfächer den Gang hinab. »Wir sollten den Rest der Stunde besser hier bleiben.«
»Klar!«, sagte Lilli mit Nachdruck. »Mich kriegen keine zehn Pferde mehr da rein.«
»Wo du gerade Pferde sagst – wie geht’s eigentlich Merlin?«, erkundigte Trixi sich.
Lilli lächelte. Das berühmtbeste Pferd der Welt war ihr ganz spezieller Freund. »Er steht den Winter über viel im Stall, aber ich reite ihn mindestens zweimal die Woche«, begann Lilli zu erzählen. Und als sie alle Neuigkeiten von Merlin berichtet hatte, erzählte sie Trixi von den Pinguinen und von Yuki. Es war erstaunlich, wie locker Trixi und sie miteinander reden konnten, nachdem sie so lange erbitterte Gegnerinnen gewesen waren. Trixi und ihre große Schwester Trina hatten Lilli das Leben monatelang zur Hölle gemacht! Doch Lilli hatte das Gefühl, dass Trixi sich wirklich geändert hatte. Die Art, wie Trixi sie soeben vor dem Fernsehteam gerettet hatte, war ein guter Beweis dafür.
Da klingelte die Schulglocke. Lilli und Trixi blieben sitzen. Sie wollten dem Kamerateam keinesfalls auf dem Gang begegnen.
Auf einmal steckte Herr Gümnich den Kopf um die Ecke der Schließfächer. »Hier seid ihr!«, rief er und ging vor ihnen in die Hocke. Sein Gesicht sah ein bisschen zerknautscht aus, als habe er zu lange die Augenbrauen zusammengezogen. Lilli rechnete mit einem Donnerwetter, aber stattdessen sagte der Lehrer in schuldbewusstem Ton: »Es tut mir leid, Lilli.«
Lilli staunte. Verlegen fragte sie: »Haben Sie denn nicht daran gedacht, dass diese Leute es auf mich abgesehen haben könnten?«
Herr Gümnich senkte den Blick. »Doch, natürlich.«
Lilli schaute ihren Lehrer verdutzt an. »Aber …«
»Ich wusste, dass sie bestimmt nur deinetwegen angefragt haben, ob sie in meiner Klasse filmen dürfen!«, brach es nun aus ihm heraus. »Aber ich … ich wollte auch einmal ins Fernsehen.«
Lilli konnte es kaum fassen. Herr Gümnich war ihr Lieblingslehrer! So etwas hätte sie niemals von ihm erwartet.
Herr Gümnich schlug die Hände vors Gesicht. »Es tut mir furchtbar leid«, kam es hinter seinen Händen hervor. »Erst als ihr das Klassenzimmer verlassen hattet, ist mir klargeworden, was ich da getan habe.«
Trixi schnaubte durch die Nase.
Herr Gümnich sprach weiter. »Ich habe gedacht, dass du an Kameras gewöhnt bist, und dass es auf einmal mehr oder weniger nicht ankommt … Aber das ist natürlich Unsinn!« Geräuschvoll holte er Luft. »Was habe ich da bloß gemacht?« Er rieb sich die Schläfen. »Und das alles nur für ein paar Minuten im Fernsehen!« Der Lehrer nahm die Hände herunter und schüttelte den Kopf, als könne er es selbst nicht glauben. »Dieser ganze Medienrummel um dich hat alle völlig verrückt gemacht. Und mich auch.«
»Ganz schön krass von Ihnen«, sagte Trixi.
Herr Gümnich nickte. »Ich kann mich nur von Herzen entschuldigen, Lilli. Und dir versprechen, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen wird.«
»Ja … gut«, erwiderte Lilli unsicher. Es war seltsam, so mit seinem Lehrer zu sprechen.
Herr Gümnich erhob sich langsam. Er blickte Lilli noch einmal bedauernd an, dann trottete er den Gang hinunter.
Lilli sah ihm nach und hatte das Gefühl, dass es immer schwieriger wurde, zu erkennen, wem man vertrauen konnte und wem nicht.
Märchenhafte Pinguindamen
Am Nachmittag ließ Lilli sich von ihrem Vater zum Zoo fahren. Sie hatte keine Lust auf eine weitere Verfolgungsjagd mit den Paparazzi. Die Reporter folgten natürlich auch dem knatternden alten gelben Auto von Lillis Vater, aber das machte Lilli nicht so viel aus. Ihr Vater brachte sie bis zum Zooportal. »Ich hole dich um halb sieben wieder ab«, sagte er. »Es gibt Spaghetti zum Abendessen.« Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Sofort blitzten mehrere Kameras auf. Lilli stöhnte und huschte schnell in den Zoo hinein. Der Zoowärter am Tor hielt die Presseleute zurück und schnauzte sie böse an, sie sollten auf der Stelle die Kameras wegpacken. Lilli warf ihm einen dankbaren Blick zu. Dann senkte sie den Kopf, zog sich ihre Mütze tief ins Gesicht und marschierte zielstrebig in Richtung Pinguinanlage.
Als Lilli gerade am Wolfsgehege vorbeistapfte, hörte sie ein Kind rufen: »Mama, das ist Liliane Susewind!«
Es folgte Getuschel und Gemurmel, und dann heftete sich ein ganzer Tross von Zoobesuchern an Lillis Fersen.
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