Liliane Susewind – Ein Pinguin will hoch hinaus (German Edition)
Teich. Die Mädchen, die das Iglu an diesem Nachmittag gebaut hatten, hatten ganze Arbeit geleistet. Das kleine Haus aus Schnee war innen großzügig ausgehöhlt und bot ausreichend Platz für zwei.
Jesahja und Lilli ließen sich auf den Kissen in Plastiktüten nieder, die sie mitgebracht hatten, und Jesahja packte seinen Laptop aus. Es dauerte nur wenige Augenblicke, dann war er eingeschaltet. Jesahja klickte und tippte mit konzentrierter Miene, und dann erschienen auf dem Bildschirm sechs Fenster. Diese waren mit Schmidti, Bonsai, Caruso, Yuki, Armstrong und Feodor betitelt. In jedem Fenster war zu sehen, was die Handykamera des jeweiligen Tieres gerade aufzeichnete. Bonsai saß momentan anscheinend im Schnee direkt neben dem Parkweg. Feodor war von Ästen umringt, Armstrong kletterte an einem Stamm hinauf, und Captain Carusos Kamera zeigte einen vereisten Pfad. Frau von Schmidt streifte durch dichtes Geäst, und Yuki schien am Eisloch eingetroffen zu sein.
»Der Nachtmodus der Cams funktioniert perfekt«, murmelte Jesahja, während er die Einstellungen noch verbesserte. »Wir sind live auf Sendung und zeichnen alles auf.« Ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Was Trina kann, kann ich schon lange.«
Lilli sah ihn mit klopfendem Herzen an. Wieder einmal war Jesahja Sturmwagner keinerlei Angst oder Aufregung anzumerken. »Jetzt können sie kommen«, sagte er mit blitzenden Augen.
Lilli drehte angespannt eine ihrer Locken um den Finger. »Werden wir etwas hören können?« Der Ton, den die Handys übertrugen, war derzeitig nichts als ein nächtliches Rauschen.
»Wenn irgendeines der Tiere nahe genug an Grimm und Trina herankommt, werden wir bestimmt etwas hören«, versicherte Jesahja. »Hier, setz deine Kopfhörer auf.« Er gab ihr Ohrstöpsel, die sie sich, so wie er, in die Ohren steckte.
Jesahja sah auf die Uhr. »Zwei Minuten vor zehn.«
Lilli begann, nervös auf ihrem Handschuh herumzukauen.
»Es wird schon alles klappen.« Jesahja grinste sie aufmunternd an. »Ist ja nur ein weiteres Abenteuer in einer Reihe von vielen.«
Lilli hätte fast gelacht. Aber sie durften natürlich keinen Krach machen. Während sie nun warteten, fragte sie sich, woran es eigentlich lag, dass Jesahja und sie ständig derartig außergewöhnliche Dinge erlebten.
Da sahen sie auf der Feodor-Cam einen Mann, der den Parkweg entlangging! Lilli krallte ihre Hand vor Aufregung in Jesahjas Knie. »Das ist er!«, flüsterte sie. »Das ist Grimm!«
Feodors Handykamera zeigte es ganz deutlich. Im Licht der Straßenlaterne und zwischen einigen Ästen hindurch erkannte man Herrn Grimm-Hartmüller, der mit hochgeschlagenem Mantelkragen näher kam und direkt unter Feodor stehen blieb. Der Leopard musste sich absolut ruhig verhalten, denn der Tierparkdirektor schien nichts von der Anwesenheit der Raubkatze zu ahnen.
»Bingo«, flüsterte Jesahja. »Wenn sie sich genau unter Feodors Ast unterhalten, kriegen wir alles genau mit.«
»Da!« Lilli wies auf den Bildschirm. Yukis Kamera hatte einen geräumigen Panoramablick über den Teich, und von weitem konnte man eine Frau auf dem Weg erkennen. »Das ist Trina! Niemand sonst stapft so breitbeinig daher!«
»Leise!«, mahnte Jesahja.
Lillis Finger gruben sich noch tiefer in Jesahjas Knie, denn auf einmal hatte sie wieder ein sehr grummeliges Gefühl im Bauch.
»Nein! Was macht er denn?!«, fluchte Jesahja. Herr Grimm-Hartmüller ging Trina entgegen! Schon war er durch Feodors Kamera nicht mehr zu sehen und tauchte stattdessen in Yukis Fenster auf. Er und Trina schüttelten einander die Hände.
»Verdammt!«, flüsterte Lilli. »So hören wir nichts.«
Da! Frau von Schmidt schlich sich an die beiden heran! Die Schmidti-Cam zeigte kein Geäst mehr, sondern den Parkweg, und in der oberen Ecke war Trinas Jacke zu sehen.
»Sie geht immer näher ran!« Jesahja verfolgte gebannt, was auf dem Bildschirm geschah. »Braves Mädchen«, flüsterte er. »Auf dich kann man sich verlassen, Schmidti.«
»Guck mal!«, japste Lilli. »Bonsai kommt von der anderen Seite!« Während Frau von Schmidt sich im Schutz einiger Sträucher anpirschte, bahnte Bonsai sich seinen Weg durch tiefen Neuschnee, in dem er fast ganz verschwand, wie in seinem Kamera-Fenster zu verfolgen war. Schließlich hockte er hinter einem Schneehaufen, der sich gleich neben dem Tierparkdirektor und Trina befand. Man konnte die beiden nun sprechen hören!
»… muss ich … Hause, sonst merkt meine Oma … ich weg bin«,
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