Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
bleiben.«
»Hier … genug essen. Lilli. Bon … sai. Hier … Hause?« Der kleine Schimpanse sah sie hoffnungsvoll an.
Lilli wurde das Herz schwer. »Nein, das geht wirklich nicht.«
Frau Essig-Steinmeier trat an den Affen heran. »Er ist unterernährt und hat sehr schlechtes Fell«, stellte sie fachkundig fest. »Entweder lebt er schon lange unter schlimmen Bedingungen in Freiheit oder er wurde sehr schlecht versorgt.« Sie seufzte. »Wir werden ihn erst einmal einzeln halten müssen und versuchen, ihn aufzupäppeln. Darum wirst du dich persönlich kümmern, Finn Landmann.«
Finn straffte den Rücken. »Jawohl.«
»Bevor er zu den anderen Schimpansen gelassen werden kann, müssen wir außerdem sicherstellen, dass er keine Krankheiten hat«, fuhr die Direktorin fort. »Und dann gibt es noch eine wichtige Aufgabe für dich, Liliane.«
Lilli hielt die Luft an.
»Du musst ihm Sprechen beibringen. Was du mir über seine Verständigungsversuche erzählt hast, ist besorgniserregend. So kommt er mit den anderen Schimpansen auf keinen Fall zurecht.« Sie blickte Lilli scharf an. »Wenn du mit ihm redest, klingt es für ihn wie Schimpansisch, richtig?«
Lilli nickte. Das war ihr Talent. Wenn sie mit Tieren sprach, hörten diese keine Menschenlaute, sondern ein Bellen oder Miauen oder Keckern – je nachdem, mit welchem Tier sie sich gerade unterhielt. Deshalb klang sie für Armstrong wie ein Schimpanse.
»Rede so viel wie möglich mit ihm«, bat die Direktorin, »damit er später mit anderen Affen in Kontakt treten kann.«
»Das mache ich gern«, versicherte Lilli und freute sich nicht nur darüber, Armstrong helfen zu können, sondern auch darauf, bald wieder Zeit im Zoo zu verbringen. Seit Wochen war sie nicht mehr dort gewesen, und sie vermisste die Tiere. Einige von ihnen waren zu guten Freunden geworden.
Es klingelte erneut. Lilli und die anderen gingen hinunter. Onkel Kornelius stand vor der Tür. »Jesahja! Hier bist du!«, rief er erleichtert. »Ich hab dich überall gesucht!«
Jesahja blickte schuldbewusst drein. »Äh, ich hab ganz vergessen, dir Bescheid zu sagen, dass ich hier bin. Es ist was passiert. Wir haben einen Schimpansen im Park gefunden. Jetzt ist er oben in Lillis Zimmer.«
»Einen Schimpansen?«, fragte Kornelius ungläubig. »Das müsst ihr mir genauer erzählen.«
»Am besten beim Frühstück!« Herr Susewind kam aus der Küche. In der Luft lag der Duft von frischen Brötchen, Rührei, Pfannkuchen und Kakao. »Sie sind alle herzlich eingeladen.«
Bereitwillig setzten sich alle an die üppig gedeckte Tafel im Esszimmer zu Lillis Mutter und Oma und langten ordentlich zu. Währenddessen berichtete Jesahja seinem Onkel, wie sie den Affen entdeckt hatten. Kornelius hörte sehr genau zu und stellte viele Fragen. Schließlich schlug er Jesahja lachend auf den Rücken und sagte: »Was ihr Kinder so alles erlebt, ist viel spannender als jeder Erwachsenenjob. Sollen wir tauschen?« Er brach in schallendes Gelächter aus.
»Lieber nicht«, sagte Jesahja und grinste. »Ich bin ganz zufrieden, ich zu sein.«
Ein neues Zuhause
Nach dem reichhaltigen Frühstück brachen Lilli, Jesahja, Frau Essig-Steinmeier und Finn auf. Lilli weckte Armstrong, der auf dem Bett neben Bonsai eingeschlafen war, und nahm ihn an die Hand. Mit seinem verbundenen Fuß humpelte er leicht, doch er folgte Lilli bereitwillig zum Auto der Direktorin. Bonsai stand unterdessen in der Haustür, schaute ihnen nach und bellte: »Komm bald wieder, Haarkumpel!«
Während der Fahrt rutschte der Affe unruhig auf dem Sitz hin und her. Autofahren gefiel ihm offenbar ganz und gar nicht, und er schnaufte froh, als sie kurz darauf wieder ausstiegen. Sie betraten den Zoo durch das große Eingangstor, und Lilli fühlte sich, als käme sie nach Hause. Die vertrauten Tiergeräusche, die schönen Zoopfade und die vielen Zooangestellten, die sie freundschaftlich grüßten, zauberten ein glückliches Lächeln in ihr Gesicht.
Armstrong schnüffelte hierhin und dorthin. »Was …?«, grunzelte er und spitzte die Ohren. Das leise Murmeln der zahllosen Tierstimmen schien ihn zu verwirren. »Viele …«
»Ja, viele Tiere leben hier. Hab keine Angst.«
Armstrong keuchte aufgeregt.
Als sie am Wolfsgehege vorübergingen, deutete der Affe mit dem Finger auf den Leitwolf und rief: »Hund!«
Lilli lächelte. »Nein, das ist ein Wolf. Hunde sind Wölfen aber sehr ähnlich.« Sie winkte dem Leittier. »Hallo Zorro!«
Der Wolf trabte an das Gitter
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