Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
heran. »Lilli!«, grüßte er. »Du warst lange fort.«
»Ja, aber ich besuche euch in Zukunft wieder öfter.«
Der Wolf schien mit dieser Antwort sehr zufrieden zu sein. Er legte den Kopf in den Nacken und begann zu heulen. »Lilli ist zurück! Wir sind wieder vollzählig!«
Die anderen Wölfe fielen nach und nach mit ein. »Rudel vollzählig!«, jaulten sie. Durch den ganzen Zoo hallte das schöne Wolfskonzert, und Lilli fühlte sich sehr geehrt.
»Nicht bummeln!«, ermahnte Frau Essig-Steinmeier und erinnerte sie daran, dass es Wichtigeres gab, als den Zootieren Hallo zu sagen. Mit Armstrong an der Hand schloss Lilli zu den anderen auf, und gleich darauf betraten sie das Affenhaus.
Die Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans befanden sich an diesem sonnigen Morgen allesamt in den Außengehegen, doch ein paar Paviane waren in ihrem Innenkäfig und sahen Lilli hereinkommen. Augenblicklich veranstalteten sie ein riesiges Affentheater. »Lilli ist wieder da!«, johlten sie, hämmerten gegen die Scheiben und sprangen begeistert durcheinander.
Armstrong versteckte sich hinter Lillis Beinen vor den lärmenden Affen. Aber die Paviane hatten ihn gesehen. »Der hat Angst vor uns!«, kreischte einer von ihnen. »Was ist das überhaupt für einer?«
»Ein Schwächling!«, schrie ein anderer Pavian. »Wie mickrig der aussieht!«
Lilli war sich nicht sicher, wie viel Armstrong von ihrem Gekreische verstand. Die Sprachen der Paviane und Schimpansen waren sich, wie alle Affensprachen, sehr ähnlich.
Armstrong spähte zwischen Lillis Beinen hervor, zuckte aber zurück, als er merkte, dass die Paviane ihn angafften.
Lilli und die anderen gingen im Eilschritt am Gehege der Paviane vorüber und beachteten die Tiere nicht weiter.
»Das hier steht zurzeit leer«, verkündete Frau Essig-Steinmeier und blieb vor einem hübschen Gehege stehen, in dem Lianen, eine Hängematte und dicke Äste zum Klettern einluden. Da auf beiden Seiten große Scheiben waren, konnte man vom Gehege aus sowohl die anderen Käfige des Affenhauses sehen, als auch nach draußen schauen.
»Mir nach!«, ordnete die Direktorin an, schloss die Tür auf, und alle folgten ihr. Armstrong guckte sich um und schien sich am liebsten irgendwo verstecken zu wollen.
»Hier tut dir keiner was.« Lilli legte ihm die Hand auf die Schulter. »Niemand außer uns kommt hier rein.«
Armstrong hörte ihr konzentriert zu. Dann schnupperte er vorsichtig an einem Baumstamm, schnüffelte an einer Liane und kletterte schließlich auf die Hängematte. Wachsam nahm er sein neues Revier Winkel für Winkel in Augenschein. Schließlich kam er zu Lilli zurück, klopfte auf den Boden und fragte: »Hause?«
Lilli lächelte. »Ja, das ist jetzt dein Zuhause.«
»Gut.« Armstrong klopfte noch einmal auf den Boden.
Draußen vor der Glasscheibe bewegte sich etwas, und Armstrong schaute neugierig hinaus. Vor der Fensterfront saßen zwei Schimpansen.
Jesahja war verblüfft. »Wie kommen die denn da hin?«
»Das Außengehege der Schimpansen ist ziemlich groß, und ein Teil davon liegt vor Armstrongs Fenster«, erklärte Finn. »Wir dachten, es wäre gut, wenn seine zukünftigen Rudelmitglieder und er sich für eine Weile durch die Scheibe beobachten können, bevor sie sich richtig kennenlernen. Auf diese Weise gewöhnen sie sich schon mal aneinander.«
Lilli musterte Armstrong. Der kleine Schimpanse saß wie eingefroren da und starrte auf die Wesen vor dem Fenster. Dann wies er mit dem Finger auf die beiden. »Wer?«
»Das sind Affen. Schimpansen …«, erwiderte Lilli mit weicher Stimme. »Sie sind wie du.«
»Wie ich.« Er pochte leicht auf seine Brust.
Die Schimpansen betrachteten den Neuankömmling voller Neugier und sprachen leise miteinander. Lilli konnte durch die dicke Außenscheibe allerdings nicht hören, was sie sagten. Sie hoffte, dass sie Armstrong nicht ebenso verlachten wie die Paviane. Aber ihre ganze Haltung wirkte freundlich und offen. Der eine Schimpanse war ein Weibchen, das Tikitomba hieß. Der andere, Oliver, war der Anführer der Schimpansengruppe. Lilli kannte ihn gut. Er war ein groß gewachsener, starker Kerl, der stets den Ton angab. Deswegen wurde er meistens King Olli genannt.
»Die beiden finden dich interessant«, sagte Lilli nun, doch Armstrong verbarg sich wieder schüchtern hinter ihren Beinen. King Ollis und Tikitombas Blicke schienen ihn zu verunsichern, und das machte Lilli nachdenklich. »Es wäre gut, wenn Armstrong die Möglichkeit hätte,
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