Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
getreten!« Lilli kniete sich vorsichtig neben Armstrong. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt der Affe sich den Fuß. »Bitte, ich will dir helfen«, sagte sie, und Armstrong zeigte ihr die Wunde. Eine große Scherbe steckte in der Fußsohle.
Lillis Vater rief: »Oje! Ich hole einen Verbandskasten!« und verschwand.
»Warum hat der Affe mich angegriffen?«, wollte Frau Susewind wissen.
»Er dachte, ich sei in Gefahr«, antwortete Lilli.
»Wie kommt er denn auf so etwas? In unserem Haus gibt es nichts, wovor du Angst haben müsstest!«
»Er dachte, du wärest eine Gefahr für mich. Deine Stimme war laut und drohend, und du hast dagestanden, als ob du mich angreifen wolltest.« Lilli sprach leise und schnell und bemühte sich währenddessen, die Scherbe aus Armstrongs Fuß zu ziehen. Der Affe wimmerte leise.
Lillis Vater kam mit dem Verbandskasten ins Zimmer zurück. »Lass mich mal sehen.«
Armstrong wich vor Herrn Susewind zurück, und Lilli erklärte: »Schon gut, er wird deine Wunde verbinden.«
Lillis Vater kümmerte sich nun um Armstrong und Lilli richtete sich auf. Ihre Mutter stand mit hängenden Schultern da. »Es tut mir leid«, murmelte sie. »Aus der Sicht des Affen sah es wahrscheinlich wirklich so aus, als wollte ich dich angreifen.« Sie senkte den Kopf. »Ich habe mich wohl wieder mal zu sehr aufgeregt.«
Lilli kräuselte die Nase. Ihre Mutter war manchmal schrecklich aufbrausend, aber sie hatte sich schon gebessert. »Wir haben den Schimpansen vor zwei Tagen im Park entdeckt«, sagte Lilli und erzählte nun die ganze Geschichte. Alle hörten ihr aufmerksam zu. Lilli schloss mit den Worten: »Und wegen seiner Arme habe ich ihn Armstrong genannt.«
Jesahja grinste.
»Er kann nicht hierbleiben«, entschied Lillis Oma. »Er würde alles auf den Kopf stellen. Außerdem braucht er eine artgerechte Umgebung.«
Lillis Vater schien der gleichen Meinung zu sein. »Am besten wäre er im Zoo aufgehoben.«
Lilli war sich nicht sicher, ob das die beste Lösung war. »Wenn Armstrong im Zoo ins Schimpansengehege käme, würden die anderen Affen ihn wahrscheinlich nicht besonders freundlich behandeln. Er kann schließlich kaum sprechen!« Lillis Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ich will nicht, dass er von den anderen ausgestoßen wird.«
Jesahja grübelte. »Ich wette, Oberst Essig fällt etwas ein, um das zu verhindern.«
Einige Stunden später klingelte es. Mittlerweile war es früher Morgen. Lilli und Jesahja öffneten die Tür.
»Wo ist der Pan troglodytes ?« Die schneidende Stimme hätte jeden anderen zusammenfahren lassen, aber Lilli kannte die Zoodirektorin inzwischen gut und ließ sich nicht mehr so leicht von ihr einschüchtern.
Mit drei zackigen Schritten betrat Frau Essig-Steinmeier das Haus. Sie war eine große, Achtung gebietende Erscheinung mit pfeilgeradem Rücken und durchdringendem Blick. Begleitet wurde sie von Finn, dem achtzehnjährigen, blauäugigen Tierpfleger, der sein hellbraunes Haar wie immer zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte.
»Pan tro…glo…«, wiederholte Lilli fragend.
»Das ist die wissenschaftliche Bezeichnung für einen Schimpansen«, raunte Jesahja ihr zu.
Frau Essig-Steinmeier schnippte mit den Fingern. »Richtig, Jesahja Sturmwagner! Ich sehe, die Ferien haben deinem hellen Köpfchen nicht geschadet.« Lilli und Jesahja waren erst seit wenigen Tagen aus dem Sommerurlaub zurück und hatten die Direktorin wochenlang nicht gesehen.
»Nein, funktioniert alles noch«, erwiderte Jesahja und tippte sich an die Stirn.
Finn fragte neugierig: »Ihr habt wirklich einen Schimpansen im Park gefunden?«
Lilli nickte. »Kommt mit, er ist oben.«
Gemeinsam betraten sie Lillis Zimmer. Armstrong saß auf dem Bett neben Bonsai. Der kleine Hund hatte seine Schnauze auf das Bein des Affen gelegt und schnarchte leise.
Als die vier Menschen näher kamen, setzte Armstrong sich sprunghaft auf und Bonsai erwachte. »Bringen die meinen Kumpel jetzt weg?«, fragte er verschlafen.
»Ja«, bestätigte Lilli, während Frau Essig-Steinmeier »Bemerkenswert« murmelte und den Affen genau betrachtete.
Armstrong starrte die Direktorin und Finn ängstlich an.
»Alles in Ordnung«, flüsterte Lilli ihm zu, »diese Leute bringen dich in dein neues Zuhause.«
»Hause?«, grunzelte Armstrong.
»An einen Ort, wo du gut leben kannst und wo es immer genug zu essen gibt!«
Der Affe wiegte den Kopf hin und her. »Hause … hier?«
»Nein, hier kannst du leider nicht
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