Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
Oder Tausendfüßer. Oder Ameisen!«, überlegte Jesahja laut. »Es gibt jede Menge Tiere, die keine Beine oder viele Beine haben. Aber in Käfigen hält man die eigentlich nicht.« Er kratzte sich am Hinterkopf. »Ich werde mir das Ganze mal durch den Kopf gehen lassen.«
Da kam Finn zurück. »Na, wie läuft es?«, fragte er, während er eine große Schüssel mit Futter auf dem Boden abstellte.
»Armstrong spricht schon mehr als vorher, aber es ist trotzdem schwierig, etwas aus ihm herauszubekommen«, antwortete Lilli.
»Ich hab ein Bettlaken für ihn.« Finn breitete ein großes weißes Stück Stoff auf dem Boden aus. Armstrong sah es, kam jedoch nicht wieder zu ihnen herunter.
»Unter diesem Tuch kannst du dich verstecken, wenn du möchtest«, rief Lilli ihm zu, doch der Affe reagierte nicht. »Ich glaube, er braucht etwas Zeit, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen«, sagte sie und dachte schuldbewusst daran, dass er wohl vor allem das Gespräch mit ihr verdauen musste. »Können wir morgen wiederkommen?«
»Klar«, erwiderte Finn. »Es wäre bestimmt gut für Armstrong, wenn er dich jeden Tag sehen würde.«
Lilli nickte. »Dann drehen wir doch jetzt eine Runde durch den Zoo und besuchen ein paar Tiere«, schlug sie Jesahja vor, und Vorfreude breitete sich in ihr aus.
Freunde und Feinde
Nachdem Lilli zuerst bei den Elefanten vorbeigeschaut und sich vergewissert hatte, dass es der Elefantendame Marta und ihrem Söhnchen Ronni gut ging, machte sie sich mit Jesahja auf den Weg zu den Raubkatzen. Der Löwe Shankar und die Tigerin Samira lebten gemeinsam in einem schönen großen Gehege. Lilli hatte vor einigen Monaten mit Jesahjas Hilfe verhindert, dass die beiden getrennt wurden, denn der große, stolze Löwe und die kluge Tigerin waren ineinander verliebt! Das war sehr ungewöhnlich, schließlich blieben Löwen und Tiger normalerweise lieber unter sich. Doch Shankar und Samira waren ein Herz und eine Seele. Lilli konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen.
Als sie vor das große Außengehege der Raubkatzen traten, entdeckten Shankar und Samira sie sofort, stürmten ans Gitter und riefen: »Lilli! Endlich! Da bist du ja wieder!« Sie sprangen freudig am Gitter hoch und steckten die Nasen durch die Stäbe. Lilli strahlte von einem Ohr zum anderen, ging näher heran und streichelte sie, während Samira ihre lange Zunge durch das Gitter schob und tigerfreundschaftlich über Lillis Hand leckte. Zum Glück hatte der Zoo noch nicht geöffnet und es waren keine Besucher da, die sich deswegen hätten wundern können.
Als Samira mit dem Schlecken fertig war, raunte sie mit ihrer tiefen Raubkatzenstimme: »Lilli, wir haben Neuigkeiten.«
»Was denn für welche?«
Shankar warf sich in eine majestätische Pose. »Ein Riesenereignis steht bevor!« Durch seine buschige Löwenmähne strich der Morgenwind, und Lilli dachte zum wiederholten Mal, dass Shankar eines der schönsten Tiere war, das sie je gesehen hatte. Aber wovon sprach er?
Schon verkündete der Löwe: »Ich werde Vater!«
Lilli fiel vor Staunen das Kinn herunter. »Samira, du bekommst Junge?«, rief sie, und Jesahja grinste überrascht.
Mit stolzgeschwellter Brust tönte Shankar: »Wir bekommen die stärksten und schnellsten Löwensöhne, die die Welt je gesehen hat!«
Samira warf ihm einen liebevoll-tadelnden Blick zu.
»Euer Nachwuchs wird halb Löwe, halb Tiger sein – Liger eben«, wandte Lilli ein. »Außerdem könnten es Töchter werden.«
Der Löwe überhörte ihren Einwand. »Die Shankar Juniors – unbesiegbar, unübertroffen, übermächtig!« Er fuhr peitschenartig mit der Pranke durch die Luft, als kämpfe er gegen einen unsichtbaren Angreifer. »Pass auf! Zack!«
Lilli lachte. Sie war froh, dass Shankar und Samira noch immer ganz die Alten waren. »Das werden bestimmt Superheldenliger!«
Eine Zeitlang saßen sie nun bei den Großkatzen, und Lilli erzählte, was sie in diesem Sommer erlebt hatten. Die Tiere hörten staunend zu. Sie konnten sich zwar beim besten Willen nicht vorstellen, was ein Delphin sein sollte, aber sie lauschten Lillis Geschichten andächtig und fasziniert. Nach einer Weile verabschiedeten sich Lilli und Jesahja, denn sie wollten noch beim Nachbarn von Shankar und Samira vorbeischauen – bei Fürst Feodor, dem vornehmen Leoparden.
»Welch seltenes Ereignis!«, begrüßte die fein gefleckte Raubkatze sie launisch, sobald sie vor ihrem Gehege standen. Feodor lag auf seinem Lieblingsast in einem Baum, ließ den
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