Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
überholte ihn jedoch und miaute: »Lassen Sie mich voranschreiten! Das ist am sichersten für uns alle!«
»Du bist wirklich zum Totlachen, Mädel«, grollte Shankar. »Lass den Quatsch und stell dich hinten an.«
Frau von Schmidt hob beleidigt die Nase, ließ sich zurückfallen und schritt würdevoll neben Feodor einher.
Lilli hätte sich am liebsten gezwickt, um sicherzustellen, dass sie nicht träumte. Sie geisterte mitten in der Nacht mit einem Löwen, einer Tigerin und einem Leoparden durch den Zoo! Und natürlich mit Jesahja, Bonsai und Frau von Schmidt – die ohne Lillis Anwesenheit sicherlich von den Raubkatzen verspeist worden wären.
Auf Zehenspitzen huschten sie nun über den Zoopfad, nahmen eine Abzweigung, schlichen geduckt über weitere mondbeschienene Wege und fanden sich schließlich vor dem Affenhaus wieder. Die Tür stand sperrangelweit offen.
Shankar blieb stehen. Frau von Schmidt drängelte sich nach vorn und verkündete: »Der Verbrecher befindet sich in diesem Bauwerk!«
Shankar knurrte: »Was du nicht sagst …«
Lilli wurde mulmig zumute. Wollte der Eindringling möglicherweise einen Affen stehlen?
»Schmidtreichste aller Damen!«, säuselte der Leopard. »Lassen Sie uns den Ganoven nun gemeinsam stellen.«
»Aus dem Weg, Adelspack!« Shankar drängte Frau von Schmidt und Feodor zur Seite. »Wir gehen zuerst rein.«
Samira folgte dem Löwen in dichtem Abstand. Lilli stellte fest, dass ihre Atmung beunruhigend schnell ging. War mit den kleinen Ligern alles in Ordnung? Lilli musste sich darauf verlassen, dass die Tigerin selbst am besten wusste, was gut für sie und ihre Jungen war.
»Wir schnappen uns den Fremdling«, raunte Shankar.
Jesahja stieß Lilli an. »Wollen die Raubkatzen etwa … allein reingehen?«, stammelte er. Sein Blick irrte zwischen Lilli und dem Löwen hin und her.
»Ja. Die beiden sind stärker als –«
»Lilli! Das ist Wahnsinn!«, keuchte Jesahja. »Wir lassen zwei Raubkatzen auf einen Einbrecher los! Sie könnten ihn schwer verwunden! Oder töten!«
Plötzlich wurde Lilli klar, wie heikel die Situation war. »Tut ihm nichts!«, zischte sie Shankar und Samira zu. »Ihr dürft den Mann nicht verletzen!«
»Wir halten ihn nur fest«, versprach Shankar. »Wartet hier, bis wir euch rufen. Hört ihr?« Er blickte Frau von Schmidt scharf an. »Komm mir nicht nach, Knirps!«
Die Katzendame zeigte wütend ihre Zähnchen, aber Shankar wandte sich ungerührt ab. Lautlos und mit geschmeidigen Bewegungen schlichen sich der Löwe und die Tigerin an die Tür des Affenhauses heran und verschwanden im Inneren.
Dann war alles still.
Eine Minute später brach ein gewaltiger Tumult los. Es schien, als hätten sämtliche Affen gleichzeitig bemerkt, dass sich zwei Raubkatzen in ihrem Haus befanden. Die Paviane kreischten ohrenzerreißend: »Angriff der Vierpfotenbestien! Alarm!« Die Gorillas schlugen gegen die Scheiben und tobten: »Raus! Vierpfotengetier! Raus hier!« Und die Orang-Utans brüllten: »Alle Mann aufwachen! Versteckt euch!«
Doch zwischen all den Warn- und Drohrufen hörte Lilli auch eine Schimpansenstimme, die etwas anderes schrie. »Was ist nur mit ihm? Warum schläft er denn jetzt?« Die Stimme gehörte Tikitomba. »Der Fremdmann hat ihn müde gemacht!«
Lilli stockte der Atem. Der Eindringling war bei den Schimpansen! Hatte er etwa einen der Affen erschossen?
Sie konnte nicht länger warten. Ohne lange nachzudenken, lief sie los. Die Paviane, Gorillas und Orang-Utans waren in heller Aufregung, kreischten Lilli Warnrufe zu und sprangen wild in ihren Käfigen herum, aber Lillis Aufmerksamkeit richtete sich auf die offen stehende Tür des Schimpansengeheges. Gerade sah sie einen Tigerschweif darin verschwinden.
Lilli beschleunigte ihre Schritte. Noch immer konnte sie Tikitombas aufgeregte Stimme hören. »Er soll aufwachen!« Doch dann verwandelten sich die beunruhigten Ausrufe der Schimpansin in Entsetzensschreie. »Da! Raubjäger! Achtung!«
Lilli stürmte in den Affenkäfig. Das Bild, das sich ihr bot, ließ sie bestürzt die Hand vor den Mund schlagen. Shankar stand mit gefletschten Zähnen im Gehege. Alle Muskeln aufs Äußerste angespannt, fixierte er einen jungen Schimpansen, der sich nur schlecht hinter einer Kletterstange verbarg. Die anderen Affen flitzten währenddessen in Panik auf die höheren Leitern und Hängeseile.
Aus der Brust des Löwen drang ein tiefes Grollen. »Was für ein leckeres Häppchen …« Er leckte sich das
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