Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)
du dich so schnell wie möglich kümmern sollst.«
»Was für einen Problemfall?«
»Eine der Schlangen. Die Königskobra. Oberst Essig sagt, sie würde bald den Löffel abgeben. Aber wenn du mich fragst, übertreibt die Essig maßlos. Die Kobra ist wie immer – züngelt rum und glotzt blöd.«
Lilli sah Trina mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Sie war noch nie im Reptilienhaus gewesen und hatte kein gutes Gefühl, wenn sie an das dunkle, flache Gebäude dachte. Der Grund dafür war vor allem Herr Pong. Lilli hatte ihn mittlerweile einige Male dabei beobachtet, wie er voller Abscheu auf dieses Gebäude gestarrt hatte. Er hatte irgendetwas Schreckliches im Reptilienhaus erlebt, dessen war sich Lilli ganz sicher.
Trina boxte Lilli gegen den Arm. »Was ist jetzt? Kommst du?«
»Wieso sollten wir einfach so mit dir mitgehen?«, fragte Jesahja misstrauisch, während Lilli sich die schmerzende Stelle massierte.
»Ganz ruhig, Schlaukopf. Mach dir nicht gleich ins Hemd.« Trina lachte verächtlich. »Oberst Essig hat mich schon öfter damit beauftragt, deine kleine Freundin zu irgendwelchen Viechern mit Problemen zu bringen.«
Jesahja sah Lilli fragend an und Lilli nickte langsam. Das stimmte. Es war tatsächlich möglich, dass die Direktorin Trina geschickt hatte.
Die große Korks-Schwester verdrehte genervt die Augen. »Meinetwegen kannst du die Anordnung von der Essig auch ignorieren und nach Hause abzischen. Du kriegst den Ärger, nicht ich.« Sie tippte Lilli auf die Stirn und Lilli wich einen Schritt zurück.
»Fängst gleich an zu heulen, was?« Trina lachte wieder, aber es klang eher wie das Meckern einer Ziege.
Jesahja und Lilli musterten Trina mit ernsten Gesichtern. Sie konnten diesem Mädchen keinesfalls trauen. Doch was, wenn die Schlange wirklich Hilfe brauchte?
Lilli sah sich um. Die Zoopfade lagen verwaist da. Es war nach sechs Uhr und alle Besucher waren fort. Auch Finn war nirgendwo zu sehen. Ebenso wenig einer der anderen Pfleger.
»Eigentlich hat Lilli schon Feierabend«, versuchte Jesahja es noch einmal.
Trina grinste breit. »Sie bleibt oft noch nach sechs Uhr hier. Ohne die Zoobesucher kann sie die Tiere schließlich besser vollquatschen.«
Auch das stimmte. Lilli wusste nicht, was sie tun sollte.
»Pass mal auf, Dumpfbirne«, sagte Trina, und ihre Stimme verriet, dass sie langsam ungeduldig wurde. »Verzieh dich doch, wenn du die Hosen voll hast. Ist mir ganz recht, dann kann ich für heute auch Schluss machen. Meinst du, ich reiße mich darum, mir wieder anzugucken, wie Prinzesschen Susewind einem Vieh zu Hilfe eilt? Das hab ich echt über. Also tschüss!« Sie drehte sich um und marschierte davon.
»Jesahja«, flüsterte Lilli. »Wenn die Schlange nun wirklich ein dringendes Problem hat …«
»Ich weiß. Dann wäre es extrem bescheuert, sich von Trina davon abhalten zu lassen, ihr zu helfen.«
»Meinst du, wir sollten nach der Schlange sehen?«, fragte Lilli zögerlich. »Mir wäre wohler, wenn wir zumindest mal gucken würden, was mit ihr nicht stimmt.« Lilli brachte es nicht über sich, einfach nach Hause zu gehen, wenn ein Tier vielleicht krank war.
»Trina, warte!«, rief Jesahja und Trina blieb augenblicklich stehen. Lilli und Jesahja schlossen zu ihr auf. »Wir kommen mit.«
»Na, wunderbar.« Ein böses Lächeln huschte über Trinas Gesicht – oder bildete Lilli sich das nur ein?
Sie folgten Trina zum Reptilienhaus. Lilli hatte einen dicken Kloß im Hals, und als sie sich dem Gebäude näherten, wurde ihr immer mulmiger zumute. Aber sie wollte nicht aus Feigheit umkehren. Zum Glück war sie nicht allein. Jesahja war an ihrer Seite. Doch auch er sah auffällig blass aus.
Im Reptilienhaus war es sehr still. Die Reihen der Käfige, größtenteils gläserne Terrarien, lagen trostlos und wie ausgestorben da. Keines der Tiere regte sich, und die einzigen Geräusche in dem weitläufigen Raum stammten von den Wasserpumpen und Belüftungsanlagen.
Lilli, Jesahja und Trina gingen an den Käfigen einiger Echsen und Krokodile vorüber. Schließlich kamen sie zu dem Terrarium der Königskobra. Beim Anblick des meterlangen Tiers schnürte es Lilli die Kehle zu. Die riesige Schlange mit der grünlichbraunen, gemusterten Schuppenhaut lag reglos auf dem sandigen Boden und blickte ins Leere. Hin und wieder züngelte sie mit ihrer gespaltenen, langen Zunge.
Lilli betrachtete die Schlange mit klopfendem Herzen. »Sie sieht eigentlich gar nicht krank aus.«
»Ich finde, sie macht
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