Lilians Verfuehrung
während sie die feuchten Haare zu Kordeln schlang und am Hinterkopf feststeckte.
„Kennst du die Rose Gardens schon?“
„Nein, ich war noch nie in Portland.“
„Dann lass dich überraschen.“
Er wartete geduldig, bis sie fertig war, und reichte ihr die Hand, die sie freudig ergriff. Es fühlte sich richtig an, wie sie mit ineinander verschlungenen Fingern die breite Treppe hinunter gingen. Warm und richtig.
Ihr Herz klopfte schneller, als sie nach draußen traten und die Sonne sie empfing.
„Ein herrlicher Tag. Ideal für einen kleinen Ausflug.“
„Fahren wir mit dem Auto?“ Sie sah ihn neugierig an, schließlich wusste sie nicht einmal, ob er ein Auto besaß, oder ob vielleicht die Schule Wagen zur Verfügung stellte.
„Wir können zu Fuß gehen, es ist nicht weit.“
Sie ließ sich von ihm führen, die linke Hand lag fest in seiner. Im Gegensatz zu ihr wusste er, wohin ihr Weg führte , und so spazierten sie langsam durch kleine Straßen mit nur wenigen Häusern und noch weniger Menschen, bis die Umgebung immer grüner wurde. War dies wirklich Portland? Sie fühlte sich, als sei sie in der Wildnis gelandet, in einem der Nationalparks, die die se Stadt umgaben. Doch so weit draußen war die Schule gar nicht, das hatte sie ja auf der Taxifahrt festgestellt.
Die bösen Gedanken, die sie noch vor wenigen Stunden gehabt hatte, versickerten hinter der Traumwolke, die sie umgab. Wie ein verliebtes Paar schlenderten sie durch den Park, den sie gerade betraten. Lilian blieb stehen und holte tief Luft. Der Duft der Tausenden von Rosen betäubte sie, noch nie zuvor hatte sie Blumen so intensiv wahrgenommen.
„Das ist unglaublich schön“, flüsterte sie, beinahe andächtig. Umgeben von Büschen, alten Bäumen und den zahlreichen, verschiedenfarbigen Rosen war ihr plötzlich, als sei sie Dornröschen, das soeben von ihrem Prinzen wachgeküsst worden war. Prinzessin.
„Ja, nicht wahr? Die Rosengärten von Portland sind weltberühmt. Und wie ich finde - zu Recht.“
Sie gingen langsam, Marcs Hand spielte mit ihren Fingern. Sonnenstrahlen kitzelten ihre Haut, eine leichte Brise ließ den Rock ihres Kleides flattern und kühlte die Hitze, die sich zwischen ihren Schenkeln gestaut hatte.
„Wovon träumst du?“, fragte er plötzlich, als sie vor der Shakespeare-Büste im gleichnamigen Garten standen. Das Schild wies Besucher darauf hin, dass hier alle Blumen, die in Shakespeares Werken vorkommen, angepflanzt worden waren.
Narzissen, die bereits verblüht waren; Schwertlilien, die sich königlich emporreckten; und natürlich Rosen, Rosen in allen Farben und Facetten.
„Ich glaube, an diesem Ort bleibt mir nicht viel Fantasie für Träume. Er entspricht schon sehr gut dem, was ich mir unter Himmel vorstelle.“
Sie lächelte ihn an, und er legte einen Arm um ihre Schulter. Lilian lehnte ihren Kopf gegen seine Brust und genoss die Nähe, die an diesem Ort außerhalb der Schule ungewöhnlich war. Sie waren nicht mehr Lehrer und Schülerin, und es fühlte sich so gut an. Gern wollte sie sich selbst vorgaukeln, wirklich verliebt zu sein. Verliebt in die Liebe? Oder in Marc?
Sie kaute auf ihrer Unterlippe und betrachtete gemeinsam mit ihm ein Rosenbeet. Auf den weißen, fliederfarbenen und dunkelroten Blütenkelchen tummelten sich Schmetterlinge.
Dann ertönte Musik, leise nur, aber doch deutlich hörbar. Irritiert sah sie sich um, konnte aber hinter den grünen Büschen und Bäumen nichts erkennen.
„Einige Meter weiter ist eine Bühne, hier finden im Sommer häufig Konzerte statt“, erklärte Marc und zog sie mit sich zu einer weißen Steinbank, die umgeben von hochgewachsenen Rosenbüschen in einer Nische stand.
Wie aus einer anderen Zeit. Außer ihnen war niemand hier an diesem Ort, vermutlich hatten sich alle Spaziergänger um die Bühne herum versammelt, von der nun wunderschöne Jazzmusik ertönte. Saxophon, Klarinette, ein Kontrabass ...
Lilian seufzte und schmiegte sich eng in Marcs Arme. Nicht nur die Sonne wärmte sie, auch seine Nähe, sein Geruch, der sich mit dem betörenden Duft der vielen Rosen vermischte und zu einem sinnlichen, einzigartigen Parfum wurde, das sie am liebsten für immer konserviert hätte.
Schweigend betrachteten sie die Blüten und Schmetterlinge, die um die Blumen herum tanzten, lauschten der Musik, die wie aus einer anderen Sphäre zu ihnen drang.
Dann wandte sie den Kopf und sah ihm in die Augen. Ihr Herz klopfte schnell, als sie die Lider schloss und ihm
Weitere Kostenlose Bücher