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Lilien im Sommerwind

Lilien im Sommerwind

Titel: Lilien im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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hier miteinander gemacht haben, ist unsere Sache«, sagte Cade. »Er ändert nichts daran.« Er setzte sich neben sie und ergriff ihre Hand. »Das kann er gar nicht, wenn wir es nicht zulassen.«
    »Er hat es schmutzig gemacht.«
    »Für sich, nicht für uns, Tory«, murmelte Cade und drehte ihr Gesicht zu sich.
    Seufzend streichelte sie seinen Handrücken. »Du bist so wütend. Wie hast du dich abreagiert?«
    »Ich habe ein paarmal gegen meinen Wagen getreten.« Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Erzählst du mir, was du gesehen hast?«
    »Seine Wut. Schwärzer als deine jemals sein könnte, aber nicht... Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, nicht substanziell, nicht real. Und eine Art von Stolz. Vielleicht war es eher Befriedigung. Ich kann es nicht sehen - kann ihn nicht sehen. Eigentlich will er nicht mich, aber er kann mich nicht hier bleiben lassen. So nahe bei Hope kann er mir nicht trauen. Ich weiß nicht, ob das meine Gedanken sind oder seine.« Sie kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf. »Ich kann ihn nicht klar sehen. Es ist so, als würde etwas fehlen. Bei ihm oder bei mir. Ich weiß nicht. Aber ich kann ihn nicht sehen.«
    »Es war also nicht so, wie wir all die Jahre über geglaubt haben - derjenige, der sie getötet hat, ist nicht zufällig vorbeigekommen.«
    »Nein.« Tory öffnete wieder die Augen und wandte sich ihm zu. »Es war jemand, der sie kannte. Der sie beobachtet hat - uns. Ich glaube, ich wusste das damals schon, aber ich hatte solche Angst, dass ich es verdrängte. Wenn ich am Morgen danach dorthin gegangen wäre, wenn ich den Mut aufgebracht hätte, mit dir und deinem Vater zu gehen, statt euch nur zu sagen, wo sie liegt, dann hätte ich ihn vielleicht gesehen. Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich hätte ihn vielleicht gesehen. Dann wäre es gleich vorbei gewesen.«
    »Das wissen wir doch gar nicht. Aber wir können jetzt anfangen, der Sache ein Ende zu machen. Wir rufen die Polizei.«
    »Cade, die Polizei ...« Ihre Kehle schnürte sich zu. »Selbst die fortschrittlichsten, offensten Polizisten hören jemandem wie mir nur in den seltensten Fällen zu. Und ich gehe nicht davon aus, dass es hier in Progress solche Polizisten gibt.«
    »Chief Russ muss vielleicht erst überredet werden, aber dann wird er dir zuhören.« Dafür würde Cade schon sorgen. »Zieh dir bitte etwas an.«
    »Du willst ihn wirklich anrufen? Um vier Uhr morgens?«
    »Ja.« Cade ergriff den Telefonhörer. »Dafür wird er schließlich bezahlt.«

17
     
    Polizeichef Carl D. Russ war kein großer Mann. Mit sechzehn Jahren war er einen Meter achtundsechzig groß gewesen, und dabei war es geblieben.
    Er war auch kein gut aussehender Mann. Er hatte ein breites Gesicht, von dem die Ohren abstanden wie riesige Henkel an einer Tasse. Seine Haare waren so borstig wie eine abgetretene Fußmatte.
    Außerdem war er schmächtig und wog nicht mehr als hundertdreißig Pfund - voll bekleidet und völlig durchnässt.
    Seine Vorfahren bestanden aus Sklaven und Feldarbeitern, später aus Kleinbauern, die sich auf Pachtland mühsam durchgeschlagen hatten.
    Seine Mutter hatte ein besseres Leben für ihn gewollt und ihn so lange bedrängt und angetrieben, bis auch er mehr wollte.
    Carls Mutter freute sich über die Tatsache, dass ihr Sohn nun Polizeichef war, fast genauso wie er selbst.
    Er war nicht brillant. Informationen drangen in sein Hirn und nahmen dort verschlungene Pfade, bis sie sich schließlich in vollständige Gedanken verwandelten. Er neigte zur Schwerfälligkeit.
    Er neigte jedoch auch dazu, gründlich zu sein.
    Aber vor allem war Carl D. ein freundlicher Mensch.
    Er murrte nicht, weil er um vier Uhr früh geweckt wurde. Er stand einfach auf und zog sich leise im Dunkeln an, um seine Frau nicht zu stören. Er hinterließ ihr eine Nachricht an der Pinnwand in der Küche und steckte ihre neueste Liste mit Besorgungen ein, als er hinausging.
    Was er davon hielt, dass Kincade Lavelle um vier Uhr morgens in Victoria Bodeens Haus war, behielt er für sich.
    Cade machte ihm die Tür auf. »Danke, dass Sie gekommen sind, Chief.«
    »Oh, schon gut.« Carl D. kaute zufrieden auf dem Kaugummi herum, ohne den er nie vor die Tür ging, seit seine Frau ihn dazu überredet hatte, das Rauchen aufzugeben. »Sie hatten einen Spanner?«
    »Auf jeden Fall war jemand da. Ich zeige Ihnen die Stelle.«
    »Wie geht's Ihrer Familie?«
    »Danke, gut.«
    »Habe gehört, Ihre Tante Rosie sei zu Besuch. Richten Sie

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