Lilien im Sommerwind
aus?«
»Ich kann mehr als nur eine Sache gleichzeitig erledigen. Wir legen die Kette einfach beiseite, damit ich darüber nachdenken kann.« Sie ging an den Auslagen entlang. »Geht es dir gut?«
»Ja.«
»Versuch bloß nicht, dich mit mir zu unterhalten.«
Tory öffnete den Mund, schloss ihn wieder und stieß die Luft aus. »Es geht mir ganz gut. Ich fühle mich noch ein bisschen zittrig, aber sonst gut. Wie geht es dir?«
Faith blickte auf und lächelte dünn. »Ach, ist deine Zunge doch nicht abgefallen? Mir geht es auch ganz gut. Ich habe mir beim Einkaufen den Klatsch angehört. Tu nicht so, als ob es dich nicht interessiert. Du bist genauso wie ich daran interessiert, was die Leute sagen.«
»Ich habe schon gehört, was sie sagen. Heute war hier ganz schön viel los. Die Leute lieben es hereinzukommen, einen Blick auf mich zu werfen und dann zu klatschen. Für dich ist das etwas anderes, Faith, du bist eine von ihnen. Ich nicht. Ich weiß nicht, warum ich dachte, dass ich das jemals werden könnte.«
»Und ich verstehe nicht, warum du es gern werden möchtest, aber wenn das dein Wunsch ist, dann musst du auch dahinterstehen. Die Leute werden sich schon an dich gewöhnen. Sie gewöhnen sich an jeden, der lang genug hier wohnt.«
»Wie tröstlich.«
»Zeig mal das Armband da. Cade jedenfalls scheint sich ziemlich schnell an dich gewöhnt zu haben.«
»Rosa und blauer Topas in Silber. Hummerscheren-Verschluss.«
»Sehr hübsch, sehr Lissy. Und dazu diese Ohrringe. Es wird ihr gefallen, dass sie zueinander passen. Für etwas anderes hat sie nicht genug Fantasie.«
»Mir kommt es seltsam vor, dass du Geschenke für sie aussuchst, wenn du sie doch anscheinend nicht leiden kannst.«
»Oh, es ist nicht so, dass ich sie nicht leiden kann.« Mit geschürzten Lippen betrachtete Faith die Ohrringe. »Sie ist zu dumm, als dass ich genug Energie aufbringen könnte, sie nicht leiden zu können. Das war sie immer schon. Sie macht Dwight glücklich, und ich mag ihn. Leg die Sachen bitte in eine Schachtel und pack sie hübsch ein. Dwight schuldet mir was. Ich glaube, die Kette nehme ich für mich selbst. Sie heitert mich auf.«
»Du wirst noch zu meiner besten Kundin.« Tory trug die Schmuckstücke zur Ladentheke. »Schwer vorstellbar.«
»Mir gefallen die Dinge, die du verkaufst.« Biene war mit dem Knochen im Maul eingeschlafen. Faith strahlte sie anbetend an. »Außerdem machst du Cade anscheinend glücklich, und ihn mag ich sogar noch mehr als Dwight.« Sie lehnte sich an die Theke, während Tory Lissys Geschenke in eine Schachtel packte. »Tatsache ist doch: Du schläfst mit meinem Bruder, und ich schlafe mit deinem Vetter.«
»Das macht uns ja fast zu einem Liebespaar.«
Faith blinzelte, dann warf sie den Kopf zurück und lachte. »Du meine Güte, was für ein schrecklicher Gedanke. Ich habe eher überlegt, ob wir uns nicht als Freundinnen betrachten sollten.«
»Noch ein schrecklicher Gedanke.«
»Ja, nicht wahr? Trotzdem - gestern, als wir beide da draußen gesessen haben, habe ich gedacht, dass du und ich wahrscheinlich das Gleiche denken und fühlen. Uns an dasselbe erinnern. Das ist ein starkes Band.«
Tory band die Schnur sorgfältig zu einer Schleife. »Es war sehr einfühlsam von dir, bei mir zu bleiben. Ich sage mir oft, dass es besser ist, allein zu sein. Aber es ist schwer. Manchmal ist es sehr schwer.«
»Ich hasse es, allein zu sein. Mehr als alles andere auf der Welt. Meine eigene Gesellschaft irritiert mich.« Lachend fügte sie hinzu: »Siehst du, jetzt führen wir fast ein intimes Gespräch. Lissys Geschenk bezahle ich mit Dwights Bargeld, aber meine Kette geht auf Karte.«
Bevor sie in ihre Geldbörse greifen konnte, legte Tory die Hand über ihre. Seltsam, wie leicht es ihr fiel, jemanden zu berühren, berührt zu werden, seitdem sie nach Progress zurückgekommen war. »Ich hatte in meinem Leben nie mehr eine zweite Freundin wie Hope. Wahrscheinlich ist eine solche Kinderfreundschaft einmalig. Aber jetzt könnte ich gut eine Freundin gebrauchen.«
Verlegen blickte Faith sie an. »Ich gebe keine besonders gute Freundin ab.«
»Mir geht es seit Hope nicht anders, also starten wir von der gleichen Linie aus. Ich glaube, ich liebe deinen Bruder.« Sie holte tief Luft und zog ihre Hand wieder weg. »Und wenn das stimmt, dann wäre es doch nett für alle Beteiligten, wenn wir beide Freundinnen sein könnten.«
»Ich liebe meinen Bruder auch, obwohl er mir regelmäßig auf die Nerven
Weitere Kostenlose Bücher