Lilien im Sommerwind
in der Stimmung, sich schon wieder mit Wades Mutter auseinander zu setzen.
Boots gab beruhigende Laute von sich und reichte Maxine ein Taschentuch.
»Es überfällt mich einfach immer wieder.« Maxine betupfte sich die Augen. »Ich habe zu Ma gesagt, ich gehe einkaufen, aber jetzt kann ich keinen klaren Gedanken fassen.«
Boots nickte. »Wir sind wahrscheinlich alle ziemlich durcheinander wegen der armen Sherry Bellows.«
»Ich weiß einfach nicht, wie das passieren konnte. Ich verstehe es nicht. Hier darf so etwas doch nicht passieren.«
»Ich weiß. Du darfst keine Angst haben.« Mitleidig strich Faith Maxine über die Schulter. »Die meisten Leute vermuten, es sei ein ehemaliger Freund gewesen, der durchgedreht ist.«
»Sie hatte keinen Freund.« Maxine zog ein zerknittertes Papiertaschentuch aus ihrer Tasche. »Sie ist mit niemandem gegangen, aber sie hatte eine Schwäche für Wade.«
»Wade?« Faiths Hand erstarrte, ebenso wie der mitleidige Ausdruck auf ihrem Gesicht. Über Maxines gesenkten Kopf hinweg blickte sie Boots an.
»Sie kam gern in die Praxis und flirtete mit ihm. Und sie hat mich über ihn ausgefragt. Nicht lästig oder so«, fügte Maxine schniefend hinzu. »Eher freundlich. Interessiert. Sie wissen schon - ob er verheiratet sei, ob er eine Freundin habe, solche Sachen.«
Faith ließ die Hand sinken. »Ich verstehe.«
»Er sieht eben gut aus. Ich war früher selber mal in ihn verliebt, also konnte ich sie gut verstehen.« Bei der Erinnerung wurde Maxine rot und warf Boots einen Blick zu. »Verzeihung, Miss Boots. Wade hat nie ...«
»Natürlich nicht.« Boots tätschelte Maxines Arm. »Mit der jungen Frau, die sich nicht in meinen Wade verliebt, müsste etwas nicht stimmen.« Sie blickte mit zusammengekniffenen Augen zu Faith. »Er ist ein wunderbarer Mann.«
»Ja, Ma'am, das ist er, deshalb kann man Sherry auch keinen Vorwurf daraus machen, dass sie ein Auge auf ihn geworfen hatte.«
Wirklich?, dachte Faith. Konnte man das wirklich nicht?
»Sherry und ich waren befreundet«, fuhr Maxine fort. »Sie hat mir manchmal beim Lernen geholfen, und wir wollten ausgehen und feiern, wenn das Semester vorbei ist. Wir hatten vor, nach Charleston zu fahren und in die Disco zu gehen. Sie hat gesagt, sie sei im Moment ohne Mann. Es machte ihr nicht so viel aus, weil sie gerade ihr Examen bestanden hatte und anfangen wollte zu arbeiten, aber sie hielt doch Ausschau nach einem neuen Freund.« Maxine wischte sich wieder über die Augen. »Eines Tages wollte sie heiraten und Kinder haben. Wir haben darüber geredet.«
»Es tut mir Leid«, sagte Boots. »Ich wusste ja nicht, dass ihr euch so nahe standet.«
»Sie war einfach so nett. Und sie war klug und wir hatten vieles gemeinsam. Während sie auf dem College war, hat sie auch gearbeitet, genau wie ich. Wir konnten über Kleider und Jungen und einfach über alles reden. Und wir beide liebten Hunde. Ich weiß nicht, was mit ihrem armen Hund werden soll. Ich würde ihn ja nehmen, aber es geht einfach nicht.«
Sie begann wieder zu weinen, um den Hund wie um ihre verlorene Freundin.
»Nimm es nicht so schwer, Maxine.« Faith bemerkte, dass andere Leute näher rückten und neugierig zuhörten. »Wade wird schon ein gutes Zuhause für ihn finden. Und der Chief wird herausfinden, wer es getan hat.«
»Mir ist so elend. Erst gestern noch hat sie gelacht und war ganz aufgeregt. Wir haben zusammen im Park zu Mittag gegessen. Sie wollte bei Tory Bodeen im Laden arbeiten. Zumindest hoffte sie das. Sie hat so viele Pläne gehabt. In der einen Minute war sie noch so lebendig, und dann ... Ich bin so traurig und durcheinander.«
»Ich verstehe das.« Faith wusste sehr gut, wie man sich nach dem Tod eines geliebten Menschen fühlt. »Liebes, du solltest jetzt nach Hause gehen. Soll ich dich hinbringen?«
»Nein, danke. Ich gehe einfach zu Fuß. Ich erwarte ständig, dass sie mir mit Mongo auf der Straße entgegenkommt«, murmelte Maxine und wandte sich zum Gehen.
»Ich weiß«, sagte Faith leise. Sie konnte Maxine nicht erklären, wie viel schlimmer es war, jedes Mal das Gesicht einer Toten zu sehen, wenn man in den Spiegel blickte.
»Hier.« Boots reichte auch ihr ein Taschentuch.
»Sie sind wohl auf alles vorbereitet.« Wütend über sich selbst nahm Faith es entgegen und rettete ihr Mascara.
»Es tut mir so Leid um das Mädchen. Dabei kannte ich sie kaum.« Boots begann, Äpfel auszusuchen, damit Faith ihre Fassung wiedergewinnen konnte. »Ich bin heute
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