Lilien im Sommerwind
bei jemandem bleiben, der aus einer solchen Verbindung entsprungen ist?«
»Du kennst die Antwort. Und wenn Liebe nicht genug ist, dann fügen wir eben noch Verstand hinzu. Du bist nicht wie deine Eltern, genauso wenig wie ich. Das Leben, das wir uns zusammen aufbauen werden, ist unseres.«
»Ich sollte dich verlassen. Das wäre vernünftig. Aber das werde ich nicht. Ich brauche dich. Ich brauche dich so sehr. Also tue ich nicht das Mutige und gehe nicht weg.«
»Du würdest auch nicht weit kommen, Liebling.«
Sie lachte zittrig. »Vielleicht weiß ich das ja, Cade.« Es war so leicht, ihn zu berühren, mit den Fingern über seine goldglänzenden Haarspitzen zu fahren. »Glaubst du, wir wären auch zusammen, wenn Hope noch am Leben wäre? Wenn nichts von alledem geschehen wäre und wir einfach ganz normal aufgewachsen wären?«
»Ja.«
»Manchmal ist dein Selbstbewusstsein ein großer Trost.« Tory trat an das Geländer und blickte zu den Bäumen am Rand des Sumpfes. »Seit ich nach Hause gekommen bin ist das schon das zweite Mal, dass jemand gestorben ist. Und ich dachte, beim zweiten Mal wäre ich dran. Er wird noch kommen.«
»Er wird nicht an dich herankommen.«
Ja, sein Selbstbewusstsein kann tröstlich sein, dachte sie. »Er muss kommen. Er wird es versuchen.« Sie drehte sich um. »Kannst du mir eine Pistole beschaffen?«
»Tory ...«
»Sag nicht, du wirst mich beschützen oder die Polizei wird ihn schon finden und aufhalten. Er wird zu mir kommen, Cade. Das weiß ich ganz genau. Ich muss mich verteidigen können, wenn es sein muss. Und ich werde mich auch verteidigen. Ich werde keine Sekunde zögern, ihn zu töten, wenn ich damit mein Leben retten kann. Früher wäre das vielleicht anders gewesen. Aber jetzt steht zu viel auf dem Spiel. Jetzt habe ich dich.«
Cades Magen zog sich zusammen, aber er nickte. Schweigend ging er zu seinem Auto und öffnete die Klappe des Handschuhfachs. Seit dem Mord an Sherry Bellows hatte er den Revolver immer bei sich gehabt.
Er gab ihn Tory. »Das ist ein Revolver, ein .38er.«
»Er ist kleiner, als ich ihn mir vorgestellt habe.«
»Er hat meinem Vater gehört.« Cade betrachtete die alte Smith & Wesson. »Weißt du, wie man damit umgeht?«
Sie presste die Lippen zusammen. In Cades Hand wirkte die Waffe gefährlich und effizient. »Man drückt ab?«
»Na ja, es gehört schon noch ein bisschen mehr dazu. Und du willst ihn ganz bestimmt, Tory?«
»Ja.« Sie atmete aus. »Ganz bestimmt.«
»Dann komm. Wir gehen in den Garten und ich bringe dir bei, wie man damit schießt.«
Faith sang vor sich hin, während sie die Lebensmittel in Wades Wohnung brachte. Biene wackelte hinter ihr die Stufen hinauf. Hier roch alles so aufregend nach zahllosen Hunden und Katzen. Vergnügt drückte Faith die Tür mit der Hüfte auf.
Auf einer zerschlissenen Decke im Wohnzimmer lag Mongo, den Kopf auf den Pfoten. Schwanzwedelnd hob er ihn, als Faith hereinkam.
»Na, hallo! Du siehst ja schon viel besser aus, armer alter Bär. Biene, Mongo erholt sich gerade. Kau nicht an seinen Ohren. Er kann dich mit einem einzigen Bissen verschlucken.« Aber Biene schnüffelte und zerrte bereits an Mongo herum.
»Na ja, ihr beide solltet euch sowieso ein bisschen besser kennen lernen. Wo ist der Doktor?«
Faith fand ihn in der Küche, wo er trübsinnig vor einer Tasse Kaffee saß. »Da ist er ja!« Sie stellte ihre Einkaufstaschen auf die Theke, trat zu ihm, schlang ihm die Arme um den Hals und gab ihm einen Kuss auf den Scheitel. »Ich habe eine große Überraschung für dich, Doc Wade. Du bekommst ein von mir eigenhändig gekochtes Essen. Und wenn du deine Trümpfe richtig ausspielst, gibt es nach dem Dessert ein romantisches Zwischenspiel.«
Lautes Gebell ertönte aus dem Wohnzimmer, und sie rannte hinüber. »Oh, ist das nicht süß? Wade, das musst du dir ansehen! Sie spielen miteinander. Also, der große Hund kann Biene ja mit einer Pfote zerquetschen, aber sie haben so viel Spaß!«
Lachend kam sie zurück, blieb jedoch stehen, als sie Wades Gesicht sah. »Liebling, was ist denn los? Ist gestern Abend irgendetwas mit dem Pferd in Hill Place schief gegangen?«
»Nein. Nein, der Stute geht es gut. Meine Tante - die Schwester meines Vaters - ist tot. Sie ist heute früh ermordet worden.«
»O mein Gott. Wade, das ist ja schrecklich! Was ist in dieser Gegend bloß los?« Sie setzte sich ihm gegenüber. »Die Schwester deines Vaters? Torys Mama?«
»Ja. Ich habe sie nicht mehr
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