Lilien im Sommerwind
Freunde und Nachbarn, um unser Beileid zu bekunden.« Lissy hielt sich den Bauch und versuchte, es sich auf dem Autositz bequem zu machen. »Tory hat gerade ihre Mutter verloren, sie ist sicherlich dankbar für ein bisschen Mitgefühl.«
»Morgen vielleicht.« Dwight blickte gequält auf die Straße. »Einen Tag später.«
»Sie hat doch bestimmt keine Lust, sich etwas Anständiges zu kochen, also bringe ich ihr einen schönen Hühnereintopf. Das wird sie bei Kräften halten.«
Trotz ihres mitleidigen Seufzens war Lissy aufgeregt und fasziniert. Torys Mutter war von ihrem Vater erschossen worden. Das war ja wie in einem Hollywood-Film. Und da es ihr gelungen war, Dwight kaum eine Stunde, nachdem sie die Neuigkeiten erfahren hatte, aus dem Haus zu zerren, würde sie wahrscheinlich die Erste sein, die einen Blick auf Tory werfen konnte.
Natürlich hatte Lizzy auch Mitleid mit Tory. Hatte sie nicht schließlich den Eintopf mitgenommen, den ihre Mutter ihr für die Tage nach der Geburt des Babys eingefroren hatte? Jeder wusste doch, dass man etwas zu essen mitbrachte, wenn jemand gestorben war.
»Sie wird nicht in der Stimmung für Gesellschaft sein«, beharrte Dwight.
»Wir sind nicht Gesellschaft. Ich bin schließlich mit Tory zur Schule gegangen. Wir beide kennen sie doch seit unserer Kindheit. Ich kann die Vorstellung nicht ertragen, dass sie in einer solchen Zeit allein ist.« Oder dass ihr jemand zuvorkommen könnte. »Außerdem bist du der Bürgermeister, Dwight Frazier. Es ist deine Pflicht, Beileidsbesuche zu machen. Du meine Güte, pass auf die Schlaglöcher auf, Liebling. Ich muss schon wieder aufs Klo.«
»Ich will nicht, dass du dich aufregst.« Er tätschelte ihre Hand. »Sonst setzen noch die Wehen ein.«
»Mach dir keine Sorgen.« Aber seine Besorgnis gefiel ihr trotzdem. »Ich habe noch mindestens drei Wochen. O Gott, wie sehe ich eigentlich aus?« Besorgt klappte sie den Spiegel herunter. »Schrecklich. Wie eine große, fette Kuh.«
»Du bist wunderschön. Immer noch das hübscheste Mädchen in ganz Progress. Und du gehörst mir.«
»O Dwight.« Sie errötete und fuhr sich durch die Haare. »Du bist so süß. Ich fühle mich im Moment so fett und hässlich. Und Tory ist so schlank.«
»Haut und Knochen. Ich stehe auf weibliche Rundungen.« Er rieb über ihre Brust und brachte sie zum Kreischen.
»Hör auf.« Kichernd gab sie ihm einen Klaps. »Schäm dich. Sieh mal, wir sind fast da und du hast mich ganz durcheinander gebracht.« Sie legte ihm die Hand zwischen die Beine. »Und dich selber auch. Weißt du noch, wie wir immer spazieren gefahren sind, als wir noch jung und dumm waren?«
»Und ich habe dich dazu überredet, es mit mir auf dem Rücksitz von Daddys Auto zu treiben.«
»Du hast mich nicht lang überreden müssen. Ich war verrückt nach dir. Hier draußen haben wir uns zum ersten Mal geliebt. Es war so dunkel und so sexy, Dwight.« Lissy ließ ihre Finger an seinem Bein hinaufgleiten. »Wenn das Baby da ist und ich meine Figur wiederhabe, holen wir uns Mama zum Babysitten. Und dann fahren wir beide hier heraus und sehen mal, ob du mich immer noch zum Rücksitz überreden kannst.«
Dwight atmete geräuschvoll aus. »Wenn du weiter so redest, dann kann ich gleich nicht aus dem Auto steigen, ohne mich in Verlegenheit zu bringen.«
»Fahr einfach ein bisschen langsamer. Ich muss mir sowieso noch die Lippen nachziehen.« Sie holte den Lippenstift aus ihrer Tasche.
»Mama hat gesagt, Luke kann heute Nacht bei ihr schlafen. Wir sollten auch noch bei Boots und J. R. vorbeifahren. Die Beerdigung wird vermutlich in der Gegend um Florence stattfinden. Wir müssen natürlich auch hinfahren, als Vertreter der Stadt. Ich habe gar kein schwarzes Umstandskleid, aber das dunkelblaue wird es vermutlich auch tun, obwohl es diesen hübschen weißen Kragen hat. Das werden die Leute doch sicher verstehen, oder, wenn ich Dunkelblau anziehe? Und wir müssen Blumen schicken.«
So schnatterte sie immer weiter, bis sie in die Auffahrt einbogen. Dwight war nicht mehr erregt, sondern bekam langsam Kopfschmerzen.
Eine Viertelstunde, dachte er. Er würde Lissy eine Viertelstunde geben und sie dann wieder mit nach Hause nehmen, damit sie die Beine hochlegen konnte. Und er würde sich mit einer Dose Bier vor den Fernseher setzen.
Niemand in Progress würde besonders um Sarabeth Bodeen trauern, von ihrer eigenen Familie mal abgesehen. Er sah nicht ein, warum ein Todesfall, der ihm und seiner Stadt so wenig
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