Lilien im Sommerwind
gesehen, seit ... du meine Güte, ich weiß gar nicht mehr, wann ich sie überhaupt das letzte Mal gesehen habe. Ich kann mich noch nicht einmal mehr daran erinnern, wie sie aussieht.«
»Ist schon gut.«
»Nein, es ist nicht gut. Meine Familie bricht auseinander. Um Himmels willen, Faith, sie glauben, mein Onkel habe sie umgebracht.«
Sie vergaß ihr eigenes Entsetzen, als sie seine Augen sah. »Er ist ein böser Mann, Wade. Ein böser und gefährlicher Mann - aber das hat nichts mit dir zu tun. Es tut mir schrecklich Leid für Tory, wirklich. Auch für deine Tante und deine Familie. Aber ... nun, ich sage das jetzt, auch wenn du dann böse auf mich bist. Sie hat ihn sich ausgesucht, Wade. Und sie ist bei ihm geblieben. Vielleicht ist das ja eine Art von Liebe, aber eine üble Art. Sie kann einem Leid tun.«
»Wir können uns über das Leben anderer Leute kein Urteil anmaßen.«
»Ach, zum Teufel. Das sagen wir immer, aber wir tun es ja doch. Ich weiß, was im Leben meiner Eltern vor sich gegangen ist. Wenn auch nur einer von ihnen einen Funken gesunden Menschenverstand gehabt hätte, dann hätte ihre Ehe entweder funktioniert oder sie hätten sich scheiden lassen. Stattdessen klammerte meine Mutter sich an den Namen Lavelle, als wäre es ein erster Preis, und Papa ließ sich mit einer anderen Frau ein. Und wessen Schuld war das? Ich habe lange Zeit geglaubt, die andere Frau sei schuld gewesen, aber das stimmt nicht. Papa war schuld, weil er sein Ehegelöbnis nicht eingehalten hat, und Mama war schuld, weil sie das geduldet hat. Es ist einfach zu sagen, dass Hannibal Bodeen für alles Schuld trägt. Aber das tut er nicht. Und genauso wenig ist es deine Schuld, oder Torys, oder die Schuld deines Daddys.«
Faith schob ihren Stuhl zurück. »Ich wünschte, ich könnte etwas Netteres sagen. Etwas Sanftes, Tröstliches - aber darin bin ich nicht besonders gut. Du willst jetzt vermutlich zu deinem Daddy gehen.«
»Nein.« Er sah sie eindringlich an. »Er ist jetzt besser allein mit meiner Mutter. Sie weiß, was sie für ihn tun kann. Aber wer hätte gedacht, dass du weißt, was du für mich tun kannst?« Wade streckte die Hand aus. Als sie sie ergriff, zog er sie an sich und verbarg sein Gesicht an ihrem Bauch. »Bitte bleib hier.«
»Na klar.« Faith streichelte ihm über die Haare. Sie fühlte sich ein wenig zitterig - ein seltsames Gefühl. »Wir machen uns einfach einen ruhigen Abend.«
Er war genauso überrascht wie sie, dass sie ihm eine Stütze war. »Ich sitze hier, seit mein Vater angerufen hat. Ich weiß nicht, wie lange schon. Eine halbe Stunde, eine Stunde. Wie erstarrt. Was soll ich denn bloß für meine Familie tun?«
»Wenn die Zeit gekommen ist, fällt dir schon das Richtige ein. Wie immer. Soll ich dir einen frischen Kaffee kochen?«
»Nein, danke. Ich muss meine Großmutter und Tory anrufen. Ich muss mir überlegen, was ich sagen soll.« Mit geschlossenen Augen lauschte er auf das Bellen aus dem Nebenzimmer. »Ich werde Mongo behalten.«
»Ich weiß, Liebling.«
»Seinem Bein geht es gut. Es wird noch eine Weile dauern, bis es ganz verheilt ist, aber es wird in Ordnung kommen. Ich wollte ein gutes Heim für ihn finden, aber ... ich kann nicht.« Verwirrt blickte er sie an. »Was soll das heißen, du weißt es? Ich behalte doch nie Hunde.«
»Du hattest bis jetzt nur noch nicht den richtigen gefunden.«
Nachdenklich sah er sie an. Dann lächelte er. »So langsam klingst du ein bisschen zu weise.«
»Das ist die neue Faith. Irgendwie gefällt sie mir.«
»Und diese neue Faith kocht Abendessen?«
»Ganz selten. Ich habe uns zwei Steaks mitgebracht.« Sie trat zur Theke, griff in die Tasche und zog zwei weiße Kerzen heraus. »Lucy vom Supermarkt hat mich gefragt, was ich heute Abend vorhätte, dass ich rotes Fleisch, weiße Kerzen und einen Käsekuchen kaufte.«
Lächelnd stand er auf. »Und was hast du Lucy geantwortet?«
»Ich habe ihr erzählt, ich würde ein romantisches Abendessen für zwei vorbereiten, für mich und Dr. Wade Mooney. Rings um uns her spitzten alle möglichen Leute die Ohren. Faith legte die Kerzen auf den Tisch. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich indiskret war und dass wir jetzt die Zielscheibe für ausgiebigen Klatsch und alle möglichen Spekulationen sein werden.«
»Nein.« Er umarmte sie und legte die Wange an ihr Haar. »Das macht mir überhaupt nichts aus.«
»Lissy, Liebes, das kommt mir nicht richtig vor.«
»Dwight, wir besuchen nur unsere
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