Lilien im Sommerwind
ruhig.«
»Heirate mich.«
»O Gott.« Tory holte tief Luft. »Ja.« Er steckte ihr den Ring an den Finger. »Er ist wunderschön. Mir wird ganz schwindelig, wenn ich ihn ansehe.«
»Er ist dir ein bisschen zu groß.« Cade strich mit dem Daumen über den goldenen Reif. »Du hast so zarte Hände. Wir lassen ihn enger machen.«
»Noch nicht sofort. Ich möchte mich zuerst daran gewöhnen.« Sie schloss die Hand zur Faust und seufzte. »Sie liebte ihn.« Tränen standen in ihren Augen, als sie Cade wieder ansah. »Deine Großmutter. Sie liebte ihn. Ihr Name war Laura, und sie war sehr glücklich.«
»Das werden wir auch sein«, versprach er ihr.
Sie ließ zu, dass sie ihm glaubte.
Carl D. raste mit eingeschalteter Sirene über die Autobahn. Eigentlich war das natürlich nicht nötig, aber es machte ihm Spaß. Und es hielt J.R. bei Laune.
Als sie sich der Ausfahrt näherten, verlangsamte er das Tempo.
»Vielleicht sollten wir das von jetzt an jeden Sonntag machen, statt zum Angeln zu gehen.«
»Es bringt das Blut ganz s chön in Wallung«, stimmte J. R. zu. »Man kommt sich nicht ganz so alt und vertrottelt vor, wenn man durch die Gegend rast.«
»Wer ist hier alt und vertrottelt? Weißt du, was wir machen? Es ist vielleicht ein bisschen einfacher für dich, wenn ich dich bei deiner Schwester absetze und zuerst einmal beim Sheriff vorbeifahre. Dann hast du Zeit, mit ihr zu reden, und sie kann ihre Sachen packen.«
»Gern.« J.R.s Laune sank, aber er bemühte sich, es sich nicht anmerken zu lassen. »Sie wird bestimmt nicht mitkommen wollen, also brauche ich schon ein bisschen Zeit. Ich werde ihr sagen, wir nähmen mit ziemlicher Sicherheit an, dass Han sich in der Nähe von Progress aufhält. Dann glaubt sie, ihm näher zu sein, wenn sie mit mir kommt.«
»Das könnte sogar stimmen, und ich werde ein paar zusätzliche Leute abstellen, die dein Haus im Auge behalten. Du solltest langsam mal dieses tolle Alarmsystem nutzen, zu dem Boots dich vor ein paar Jahren überredet hat.«
»Das habe ich eingeschaltet, seit du die kleine Bellows gefunden hast. Boots sagte, sie hätte keinen Moment Ruhe, wenn ich es nicht anstelle.« J. R. dachte an die Stadt, an die Straßen, die er mit geschlossenen Augen entlanggehen konnte, an all die Menschen, die er mit Namen kannte. Und die kannten ihn. »So etwas sollte man eigentlich nicht tun müssen.«
»Nein, aber manchmal ist da s Leben eben so. Du und ich, J. R., wir sind in der gleichen Zeit aufgewachsen. Wir haben viele Veränderungen in Progress erlebt, und die meisten davon waren gut. Wir haben uns ihnen gebeugt. Manchmal haben wir vielleicht etwas dabei verloren - wenn sie Häuser auf einem Feld bauten, wo wir früher Ball spielten, oder wenn sie noch einen Supermarkt eröffneten.
Aber wir haben uns gebeugt. Manche Veränderungen muss man eben einfach hinnehmen.«
J. R. lächelte. »Was, zum Teufel, meinst du damit?«
»Ich weiß auch nicht. Muss ich hier abbiegen?«
»Ja. Pass auf deine Ölwanne auf, die Straße ist voller Schlaglöcher. Ich schäme mich, dass du siehst, wie sie hier wohnt, Carl D.«
»Mach dir nichts draus. Für so einen Scheiß sind wir schon viel zu lang befreundet.« Der Wagen krachte durch ein Schlagloch. Fluchend schaltete Carl D. noch weiter herunter. Dann kniff er die Augen zusammen. »Was, zum Teufel, ist denn da los? Verdammt noch mal, da gibt's Probleme. Verdammt noch mal«, wiederholte er und trat aufs Gaspedal.
Vor dem Haus standen zwei Polizeiwagen. Um den von Unkraut überwucherten Garten war gelbes Absperrband gespannt. Als Carl D. auf die Bremse trat, kam gerade ein Polizist aus dem Haus.
»Chief Russ aus Progress.« Er zog seinen Ausweis heraus und hielt sie dem Uniformierten entgegen. »Was ist hier passiert?«
»Es hat einen Zwischenfall gegeben, Chief Russ.« Das Gesicht des Polizisten wirkte bleich und ernst, seine Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. »Ich muss Sie bitten, hier zu bleiben. Der Sheriff ist drinnen. Er muss erst mit Ihnen sprechen.«
»Meine Schwester wohnt hier.« J. R. packte den Polizisten am Ärmel. »Meine Schwester. Wo ist sie?«
»Sie müssen mit dem Sheriff reden. Bitte bleiben Sie hinter der Absperrung«, befahl er und trat wieder ins Haus.
»Sarabeth ist etwas passiert. Ich muss ...«
»Warte.« Carl D. packte ihn am Arm, bevor J. R. dem Beamten hinterhereilen konnte. »Warte. Du kannst sowieso nichts tun. Warte einfach.«
Carl D. hatte bereits den dunklen Fleck auf
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