Lilien im Sommerwind
geworden.«
Ein paar Autos fuhren auf der Straße vorbei. Tory vernahm den vertrauten Rhythmus von Wades Stimme und sie wusste, warum sie ihn immer so gern gehabt hatte. »Dir fehlen die alten Zeiten, was, Wade?«
»Manchmal. Hör mal, ich bin gerade zwischen zwei Terminen. Ich muss zurück und eine Dänische Dogge davon überzeugen, dass sie gegen Tollwut geimpft werden muss.«
»Besser du als ich, Dr. Mooney.«
»Meine Praxis ist da drüben, am Ende des Blocks. Komm mit mir, dann lade ich dich anschließend zu einem Eistee ein.«
»Das würde ich gern tun, aber ich muss zum Makler und sehen, was er für mich hat.« Tory bemerkte das Flackern in Wades Blick, legte den Kopf schräg und fragte: »Was ist?«
»Ich weiß nicht, wie es dir dabei ginge, aber euer altes Haus vielleicht? Es steht leer.«
»Das Haus?« Instinktiv verschränkte Tory die Arme und umfasste ihre Ellbogen.
Das Schicksal legt manchmal einen langen Weg zurück, dachte sie. »Ich weiß auch nicht, wie es mir dabei ginge. Vermutlich muss ich es testen.«
In einer Stadt mit weniger als sechstausend Einwohnern war es schwierig, mehr als zwei Blocks zu gehen, ohne dass man jemandem begegnete, den man kannte - gleichgültig, ob man sechzehn oder sechzig Jahre weg gewesen war. Als Tory in das Büro des Maklers trat, saß nur eine einzige Person hinter dem Schreibtisch.
Die Frau war hübsch, zierlich und sehr gepflegt. Ihr langes blondes Haar umrahmte ein herzförmiges Gesicht, das von großen, babyblauen Augen beherrscht wurde.
»Guten Tag.« Die Frau klimperte mit den Wimpern und legte ein Taschenbuch, auf dem ein Pirat mit bloßem Oberkörper abgebildet war, beiseite. »Was kann ich für Sie tun?«
Tory durchzuckte ein Bild vom Spielplatz der Grundschule in Progress. Eine Gruppe kleiner Mädchen, die vor Angst und Ekel kreischten und wegrannten. Und der verschlagene, zufriedene Ausdruck in den großen blauen Augen der Anführerin, die sie verächtlich anschnaubte und ihr langes blondes Haar zurückwarf.
»Lissy Harlowe?«
Lissy legte den Kopf schräg. »Kenne ich Sie? Tut mir Leid, ich weiß nicht ...« Dann riss sie ihre Augen auf. »Tory? Tory Bodeen? Du meine Güte!« Sie gab einen leisen Schrei von sich und sprang auf. Ihrem Bauch unter der rosafarbenen Bluse nach zu urteilen war sie ungefähr im sechsten Monat. »Daddy hat gesagt, dass du irgendwann diese Woche vorbeikommen willst.«
Obwohl Tory automatisch einen Schritt zurücktrat, eilte Lissy um den Schreibtisch herum, um sie wie eine lang vermisste Freundin in die Arme zu schließen. »Das ist ja aufregend!« Sie strahlte sie an. »Tory Bodeen kommt nach so langer Zeit wieder zurück nach Progress. Und wie hübsch du aussiehst!«
»Danke.« Tory registrierte, wie Lissy sie musterte, und sah dann, dass ihre Augen zufrieden funkelten. Es gab keinen Zweifel daran, wer hübscher geworden war. »Du siehst noch genauso aus wie früher. Aber du warst ja schon damals das hübscheste Mädchen in Progress.«
»Ach, sei nicht albern.« Lissy machte eine abwehrende Geste, doch man sah ihr an, dass sie sich über Torys Worte freute. »Und jetzt setz dich her. Ich hole dir etwas Kaltes zu trinken.«
»Nein, mach dir keine Mühe. Hat dein Vater den Mietvertrag fertig gemacht?«
»Ich denke, ja. Die ganze Stadt redet von deinem Laden. Ich kann es gar nicht erwarten, bis du ihn eröffnest. Es gibt nicht viele hübsche Dinge in Progress.« Während Lissy redete, trat sie wieder hinter den Schreibtisch. »Man kann ja schließlich nicht immer nach Charleston fahren, wenn man irgendetwas braucht, das ein bisschen Stil hat.«
»Gut zu wissen.«
Tory setzte sich und blickte auf das Schild auf dem Schreibtisch. Lissy Frazier stand darauf. »Frazier? Dwight? Du hast Dwight geheiratet?«
»Vor fünf Jahren. Wir haben einen Sohn. Mein Luke ist so süß!« Sie zeigte ihr ein gerahmtes Foto mit einem helläugigen, blonden Kleinkind. »Und am Ende des Sommers erwarten wir seinen Bruder oder seine Schwester.«
Sie klopfte sich zufrieden auf den Bauch, wobei sie mit den Fingern wackelte, sodass die Diamanten auf ihrem Ehe- und ihrem Verlobungsring im Licht funkelten.
»Und du hast nie geheiratet?«
Tory war klar, dass Lissy immer noch die Beste sein wollte. »Nein.«
»Ich bewundere euch Karrierefrauen so sehr! Ihr seid alle so mutig und klug. Ihr macht uns braven Hausmütterchen richtig etwas vor.« Tory zog fragend die Augenbrauen hoch. Lissy lachte und wedelte mit der Hand. »Oh, ich komme nur
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