Lilien im Sommerwind
sauberer und frischer vor, als sie es in Erinnerung gehabt hatte. Sie fragte sich, wie viel von dem Alten wohl noch unter dieser neuen Fassade zum Vorschein kommen würde.
Als sie in die Market einbog, war sie seltsam erleichtert darüber, dass Hanson immer noch stand, immer noch dasselbe, mitgenommene alte Schild hatte und das Schaufenster immer noch mit Anzeigen und Werbesprüchen beklebt war.
Der Frisör hatte den Besitzer gewechselt, stellte sie fest. Aus Lou's Schönheitssalon war Hair Today geworden. Aber den Diner in der Market Street gab es noch, und die alten Männer, die plaudernd vor der Tür standen, trugen immer noch die gleichen Overalls. Jedenfalls kam es ihr so vor.
Mitten in dem Block, zwischen dem Malergeschäft und dem Blumenladen, lag die alte Reinigung. Das würde ihr Neubeginn werden, dachte Tory, als sie an den Randstein fuhr.
Sie stieg aus dem Auto. Die Mittagshitze schlug ihr entgegen. Von außen sah das Gebäude noch genauso aus, wie sie es in Erinnerung hatte. Die alten Ziegelklinker wurden von rauchgrauem Mörtel zusammengehalten. Das Schaufenster war hoch und breit, allerdings von Staub und Straßenschmutz bedeckt. Aber das würde sie schon in Ordnung bringen.
Die gläserne Eingangstür hatte einen Sprung. Das musste der Vermieter richten, beschloss sie und zog ihr Notizbuch heraus.
Sie wollte eine Bank vor die Tür stellen, eine schmale mit schwarzer, schmiedeeiserner Rückenlehne, die sie sich schicken ließ. Und daneben Töpfe mit purpurfarbenen und weißen Petunien. Freundliche Blumen.
Und oben auf dem Fenster über der Bank würde der Name des Ladens stehen.
Southern Comfort
Und genau das würde sie ihrer Kundschaft bieten: eine behagliche Umgebung, in der die Ware hübsch ausgestellt und mit diskreten Preisschildchen versehen war.
In Gedanken füllte Tory bereits Regale, arrangierte Tische und Lampen. Sie hörte gar nicht, wie jemand ihren Namen rief, bis sie plötzlich hochgehoben wurde.
Das Blut rauschte in ihrem Kopf und ihr Puls raste vor Schreck.
»Tory! Ich habe mir doch gedacht, dass du das bist! Ich halte schon seit Tagen nach dir Ausschau.«
»Wade!«, rief sie.
»Ich habe dich erschreckt.« Sofort ließ er sie wieder hinunter. »Tut mir Leid. Ich habe mich nur so gefreut, dich wiederzusehen!«
»Lass mich erst mal zu Atem kommen.«
»Du kannst Luft holen, während ich dich ansehe. Verdämmt, ist es wirklich schon zwei Jahre her? Du siehst wundervoll aus.«
»Ach ja?« Tory freute sich über das Kompliment, aber sie glaubte ihm nicht eine Minute lang. Langsam beruhigte sich ihr Pulsschlag und sie schob sich die Haare aus der Stirn.
Wade war zwar nicht ganz ein Meter neunzig, aber sie musste doch den Kopf in den Nacken legen, um ihn betrachten zu können. Er war immer hübsch gewesen, doch mittlerweile waren die weichen Züge seiner Kindheit ein wenig männlicher geworden. Seine Augen waren schokoladenbraun, und sein Gesicht war zwar nicht mehr so niedlich wie früher, doch die Grübchen hatte er immer noch. Seine Haare waren etwas heller als Torys und kurz geschnitten, damit sie sich nicht lockten.
Wade trug Jeans und ein einfaches Baumwollhemd in verblichenem Blau. Seine Mundwinkel verzogen sich amüsiert, während sie ihn musterte.
Sie fand, er sah jung und gut und erfolgreich aus.
»Wenn ich angeblich wundervoll aussehe, dann fehlen mir die Worte, um dich zu beschreiben. Du hast die besten Anlagen der Familie geerbt, Cousin Wade.«
Er strahlte wie ein kleiner Junge, widerstand aber dem Verlangen, sie noch einmal in seine Arme zu ziehen. Tory war immer schon spröde gewesen, was umarmen und streicheln anging. Also beließ er es dabei, sie ein bisschen an den Haaren zu ziehen.
»Ich bin froh, dass du wieder hier bist.«
»Ich hätte mir kein besseres Empfangskomitee vorstellen können.« Tory breitete die Arme aus. »Die Stadt sieht gut aus. In vieler Hinsicht genauso wie früher, nur ... sauberer, wahrscheinlich.«
»Progress macht Fortschritte«, sagte Wade. »Vieles davon verdanken wir den Lavelles, dem Stadtrat und in den letzten fünf Jahren vor allem dem Bürgermeister. Erinnerst du dich noch an Dwight? Dwight Frazier?«
»Dwight, der zu dem mächtigen Dreierbund gehörte, der aus dir, ihm und Cade Lavelle bestand?«
»Genau. Er hat die Schönheitskönigin der Schule geheiratet, ist in das Baugeschäft seines Vaters eingetreten und hat viel zur Entwicklung von Progress beigetragen. Mittlerweile sind wir alle verdammt solide Bürger
Weitere Kostenlose Bücher