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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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hat meinen Namen gesagt. Und so, wie er ihn ausgesprochen hat, war es fast wie eine Zauberformel gewesen, die mich schützen wird.
    Vor ihm, aber nicht vor der Wahrheit. Beates Worte kamen ihr wieder in den Sinn: Dass man auch falsch liegen konnte, selbst wenn sich alles richtig anfühlte. Verdammt, verdammt, verdammt. Bei jedem Wort hieb sie mit der Faust in ihr Kissen. Dann riss sie die Schublade auf und griff nach Amelies Tagebuch. Mit zitternden Fingern blätterte sie es durch, die Augen fest geschlossen. Hier. Jetzt. Amelie. Wer ist Kilian?
    Er ist der Mann, der mich töten wird.

ZWEIUNDZWANZIG
    Am nächsten Tag kam Michael. Er begrüßte Sabrina, als würden sie sich schon Jahre kennen. Dann schleppte er seine Reisetasche nach oben, in die er die Ausrüstung für eine Himalaja-Tour, ein Wüstenzelt und mindestens drei Ersatzräder gepackt haben musste, so schwer war sie. Franziska und Sabrina sahen ihm hinterher, wie er sich abmühte, und konnten nur mit Mühe ein Prusten unterdrücken.
    »Wie soll das eigentlich gehen, wenn ihr mal wirklich in Urlaub wollt?«
    »Dann bestellen wir eine Umzugsspedition.«
    Franziska ging zurück in die Küche, aus der sie kaum noch herauszukriegen war. In zwei Tagen war Heiligabend. Das ganze Haus duftete schon nach Plätzchen und Marzipan. Für den Nachmittag hatten sie verabredet, die letzten Einkäufe in Neuwied zu erledigen.
    Sabrina hatte ihre Geschenke schon längst besorgt: einen wunderschönen Bildband über Israel und seine Weine. Ihre Mutter hatte schon lange vorgehabt, dort einmal hinzureisen. Das Päckchen für ihren Vater hatte ihr mehr Kopfzerbrechen bereitet. Sie wusste wenig über ihn, und das fiel ihr immer in der Weihnachtszeit besonders auf. Schließlich hatte sie gegoogelt und drei Eintrittskarten für die Kinderrevue im Friedrichstadtpalast übers Internet gekauft. Ihrem kleinen Halbbruder würde das bestimmt Spaß machen. Und Eltern hatten sich, daran erinnerte sie sich noch sehr gut, dem Spaß ihrer Kinder zumindest während der Feiertage bedingungslos unterzuordnen. Die Tickets hatte sie letzte Woche zusammen mit einer Karte zur Post gebracht. Damit waren ihre Weihnachtspflichten erledigt. Was noch auf der Liste stand, waren Kleinigkeiten und die Lebensmittel für die Feiertage. Sabrina
fragte sich, ob Michael so lange bei ihnen bleiben würde. Die Rede war vom Wochenende gewesen, darüber hinaus hatte noch niemand gedacht. Heiligabend mit einem Mann im heiratsfähigen Alter unterm Weihnachtsbaum, das hatte es seit dem Auszug ihres Vaters nicht mehr gegeben.
    Franziska war zumindest bester Laune, als sie am späten Vormittag in Michaels Jeep stiegen und die kurze Fahrt in die große kleine Stadt unternahmen. Es hatte fast aufgehört zu schneien, nur trockene, winzige Eiskristalle schwebten noch durch die Luft und hinterließen auf den geräumten Bürgersteigen und den vom Straßendreck grauen Bergen am Fahrbahnrand einen Hauch von frischem Weiß. Franziska hatte aufgeschrieben, was noch fehlte. Um möglichst wenig Zeit zu verlieren und anschließend noch in die »Rheinkrone« gehen zu können, wollten sie sich die Besorgungen aufteilen. Auch Sabrina bekam einen Zettel. Maronen, Kalbfleischwürstchen, drei Becher Sahne, Rouladennadeln und Tesafilm. Sie murmelte etwas von »Überraschung besorgen« und verabredete sich mit den beiden zwei Stunden später in dem alten Wirtshaus. So, wie Michael und Franziska Hand in Hand davoneilten, musste sie sich wohl keine Gedanken um sie machen.
    Eine halbe Stunde später stand Sabrina aber nicht beim Metzger in Neuwied in der Schlange, sondern stieg an der Endhaltestelle in Andernach aus dem Bus und machte sich eilig auf den Weg zur Werth. Nur einige ganz verwegene Spaziergänger kamen ihr entgegen. Die Geschäfte hatten auch hier an diesem Samstag vor Weihnachten länger geöffnet. Sabrina nahm sich vor, ihre Einkäufe nach ihrer Rückkehr in Windeseile zu erledigen. Aber der Besuch am toten Fluss ging vor. Wenn Kilian wirklich wieder da war …
    Sie eilte an den Krippen vorbei. Die Pfützen auf dem schmalen Weg hinter dem Alten Krahnen waren zu milchweißen Platten gefroren. Wenn sie darüberging, knisterte das Eis. Sie versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen, aber ihr Herz klopfte wie ein Presslufthammer in ihrer Brust. Ob es davon kam, dass sie gleich etwas Verbotenes tun würde, oder
davon, dass sich fünfhundert Meter weiter vielleicht der Mann befand, der ihr etwas über Amelies letzte Stunden sagen konnte

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