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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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beschmiert und bespritzt, und als ob der Eimer schließlich auf dem Boden umgekippt wäre und eine große, eingetrocknete Lache hinterlassen hätte. Aber es war kein Eimer auf der Erde, es war auch keine Farbe. Es war Blut.
    Blaubarts Zimmer. Sie hatte Kilians Geheimnis entdeckt, und in diesem Moment begriff sie, dass es Türen auf dieser Welt gab, die man einfach nicht öffnen durfte.
    Das fahle Licht ihres Handys verfolgte die grauenhafte Spur vom Boden zurück zum Tisch. Dort musste sie gesessen haben, als der Angriff kam. Von hinten? War sie aufgesprungen und hatte sie geschrien? Konnte sie sich noch wehren oder war schon nach dem ersten Stich alles zu spät? Sie musste sich gewehrt haben, anders waren die Spuren nicht zu erklären. Es hatte ein Handgemenge gegeben, in dem der Täter wie rasend zugestochen haben musste. Wieder und immer wieder, so lange, bis sein Opfer am Boden lag.
    Hatte Amelie an der gleichen Stelle gestanden? Hatte sie denselben Schmerz, die gleiche Angst gespürt? War es etwa Amelies Blut, das überall zu sehen war?

    Direkt über ihrem Kopf scharrte etwas. Sabrina hielt die Luft an. Dann hörte sie das leise Klopfen von Holz auf Eisen. Tapp tapp tapp. Jemand kam aufs Schiff.
    Sie klappte das Handy zu und wollte es in ihre Tasche stecken, doch es glitt ihr aus den Fingern und landete irgendwo auf dem Boden. Tapp tapp. Tapp. Jemand hatte das Deck erreicht, blieb stehen und sah ihre Spuren. Mit angehaltenem Atem und unendlich langsam, ganz, ganz langsam, damit das eiserne Stöhnen nicht wieder anfing, schloss Sabrina die Tür. Dann rutschte sie an der Wand entlang hinunter und blieb in der Hocke sitzen. Tapptapptapptapptapp. Jemand stieg die Treppe hinunter, kam in den Gang, sah sich um. Sabrinas Hand wollte nach dem Handy tasten. Aber als sie den Boden berührte, fiel ihr das Blut wieder ein. Die Angst würgte in ihrer Kehle, ihre Lunge drohte zu platzen, so lange hielt sie den Atem an.
    »Sabrina?«
    Der Schreck peitschte durch ihre Adern, noch bevor ihr Hirn realisierte, wer da gerade gesprochen hatte.
    »Sabrina, bist du hier? Hallo!«
    Pfeifend schoss der Atem aus ihr heraus. Sie holte tief Luft, kam schwankend auf die Beine und riss die Tür auf.
    »Herrgott! Bist du das?«
    »Ja«, krächzte Sabrina. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder einen Wutanfall bekommen sollte. Eine Taschenlampe flammte auf und blendete sie. Reflexartig hob sie die Hände, um ihre Augen zu schützen.
    »Oh, sorry.« Beate ließ die Lampe sinken. »Meine Güte, das ist ja ein Horrorkahn! Der sieht ja schon von außen aus, als ob ihn nur die Farbe zusammenhält. – Was ist los? Ist was passiert?« Sie kam durch den engen Gang auf Sabrina zu. »Du siehst aus wie … Sag doch was!«
    Sabrina schüttelte den Kopf. Dann ging sie zur Seite und ließ Beate durch.
    Mit einem merkwürdigen Blick auf ihre Freundin hob Beate die Lampe und leuchtete in den Raum. Dann, als sie
erkannte, was sich da abgespielt haben musste, stieß sie einen entsetzten Laut aus. Sabrina lehnte an der Wand und atmete keuchend ein und aus. »Holy shit.« Beate drehte sich wieder zu ihr um. »Was zum Teufel ist das?«
    Sabrina nahm alle Kräfte zusammen, um zu antworten. »Das ist das Zimmer, in dem ein Mord geschah.«
    »Welcher?«
    »Ich weiß es nicht!«
    Beate sah zum ersten Mal, seit sie sich kannten, alles andere als cool aus.
    Plötzlich begann Sabrina zu schluchzen. Sie konnte nichts dafür, es kam einfach aus ihr heraus und wollte und wollte nicht aufhören.
    »Komm komm komm.« Beate streichelte ihr ein bisschen ungeübt über den Arm. Dabei sah sie selbst aus wie jemand, der dringend aus der Gefahrenzone gebracht werden wollte. »Bist du allein?«
    Sabrina nickte. »A-Aber ich weiß nicht, wann er zurückkommt. Wenn er uns hier findet und sieht, dass wir das entdeckt haben …«
    Beate nickte. »Wir sollten so schnell wie möglich verschwinden.«
    »Was hat das zu bedeuten?« Sabrina sah verzweifelt auf das schwarze Blut. »Was ist hier passiert? … Er hat Amelie umgebracht! Hier! Und sie hat sich gewehrt, sie hat sich so gewehrt …« Sabrina rutschte die Wand hinunter und blieb in der Hocke. Sie hätte schreien können vor Schmerz. All die Wut und die Trauer kamen noch einmal hoch. »Er hat sie umgebracht«, flüsterte sie. Es zerriss ihr fast das Herz bei diesen Worten.
    »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit: Nein!« Beate leuchtete wieder in den Raum und musterte den Verlauf der Blutspuren. Dabei drehte sie sich immer

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