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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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entfernt, und wieder spürte sie den Impuls, davonzulaufen. Sich vor diesem Blick zu verstecken, der alles in ihr zu sehen schien – die Angst, den Zweifel, die Trauer, die Enttäuschung, und dem sie trotzdem standhielt. Plötzlich war es, als ob die Uhren aufgehört hätten zu ticken und als ob das Leben für einen kurzen Augenblick Pause machte.
    Beate räusperte sich. Sabrina zuckte zurück in die Gegenwart. Kilians Gesicht verschloss sich.
    »Und dann?«, flüsterte Sabrina.

    »Dann ist sie fort.« Er stand auf, schob Beate zur Seite und ging in den Flur.
    Sabrina folgte ihm. »Wie, fort? Wann ist sie fort? Rede mit mir! Bist du hinter ihr hergelaufen in den Wald und hast sie umgebracht?«
    Beate fasste sie am Ärmel und machte leise »Schschsch.« Aber Sabrina achtete nicht auf sie und riss sich los. Kilian wollte gerade im Bad verschwinden, sah die geöffnete Tür zu dem verbotenen Zimmer und blieb, immer noch mit dem Rücken zu seinen ungebetenen Besuchern, stehen.
    »Ich muss das wissen! Sie war meine Freundin, verstehst du? Ich muss wissen, was mit ihr passiert ist. Du hast sie als Letzter gesehen. Bist du ihr gefolgt? Hast du sie getötet? Kilian!«
    Beate griff wieder zu und diesmal mit aller Kraft. Sie zog Sabrina zurück, denn in diesem Moment drehte Kilian sich um. Langsam, ganz langsam, mit der Geschmeidigkeit eines Panthers und einem raubtierartigen Schimmer in seinen Augen.
    »Ihr wart hier drin?«
    Beate stolperte mit Sabrina im Schlepptau hinterrücks Richtung Treppe. »Nettes Schiff«, sagte sie. Ihre Stimme war kurz vorm Kippen. Sie hatte Angst. Als Sabrina das spürte, wurde ihr auch ganz anders zumute. Angst und Beate passten nicht zusammen. Wenn doch, dann war es ernst. »Echt. Fast schon ein Oldtimer, nicht? Aber wir müssen jetzt gehen.«
    Sie kletterte rückwärts die erste Stufe hoch, Sabrina immer noch fest an sich geklammert.
    »Auch wenn du’s mit dem Staubwischen nicht so genau nimmst. Falls du mal eine Putzfrau brauchst, wir haben da ein nettes Au-pair …«
    Noch eine Stufe.
    »… die sich gerne was dazuverdient. Ruf einfach an.«
    Die nächste.
    »War schön, dich kennengelernt zu haben. Wir müssen jetzt leider … los!«

    Sie drehte sich um und rannte die Treppe hoch.
    Sabrina folgte ihr, doch schon auf halben Weg hatte Kilian sie am Bein gepackt und zog sie unbarmherzig herunter.
    »Lass mich!«, schrie Sabrina.
    Als er nicht losließ, trat sie nach ihm und strampelte, aber er war einfach zu stark. Sie strauchelte und schrammte sich die Schienbeine auf. Beate hatte das Deck erreicht, warf sich auf den Bauch und griff nach ihren Armen, aber zu spät. Sie konnte Kilians eisenhartem Griff nicht entkommen. Ein Ruck, und sie fiel die restlichen Stufen hinunter, schlug mit dem Kopf an die Wand und blieb zusammengekauert und benommen liegen. Er wollte nach ihr greifen und ihr aufhelfen, doch instinktiv schlug Sabrina seine Hand weg und krümmte sich zusammen. Ihre Beine schmerzten höllisch, sie konnte nur mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken.
    »Lass sie gehen, du Vollidiot!«
    Beate polterte herunter, doch Kilian stellte sich ihr in den Weg.
    »Raus«, sagte er leise.
    »Nur wenn sie mitkommt.«
    »Seid froh, wenn ich euch nicht …«
    »Erschlage?«, fragte Beate. Sie war bleich wie der Schnee auf den Schiffsplanken. Ihre Stimme bebte vor Furcht, aber sie ließ sich nicht einschüchtern.
    »Aber nein«, antwortete Kilian leise. »Euch doch nicht. So netten Besuch, der nichts anrührt und sich nach freundlichen Worten höflich wieder verabschiedet. Niemals würde ich das. Geh einfach schon mal vor.«
    »Träum weiter. Ich rufe die Polizei, da kannst du sicher sein!«
    Beate hatte noch nicht ihr Handy gezückt, da hatte es Kilian schon in der Hand und an ihr vorbei die Treppe hoch aufs Deck geworfen. Es schlitterte ein paar Meter weit und dudelte eine Melodie, die Sabrina an den Ententanz erinnerte.
    Aber Beate gab nicht auf. »Tolle Nummer, du Killer. Dann erleg mich doch. Aber wir sind zu zweit. So einfach wie mit Amelie wird das diesmal nicht!«

    Er trat noch einen Schritt näher. »Geh!« Seine Stimme war leise und jagte Sabrina einen Schauer den Rücken hinunter. Sie wollte schreien, aber kein Laut kam über ihre Lippen.
    »Ich lasse Sabrina nicht alleine hier, verstanden? Eher werde ich … eher werde ich -« Beate verstummte. Sie musste etwas in Kilians Gesicht gesehen haben, das die Wut und die Angst mit einem Mal verpuffen ließ. Sabrina wusste nicht was, denn sie lag

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