Lilienblut
klirrte. Kreutzfelder senior hatte auf der Suche nach Trinkbarem einen Kastenturm umgestoßen.
»Ist ja gut!«, rief er schwankend. »Ich zahl das ja!«
Er wedelte mit zwei Hundertern herum. Sabrina und Beate wechselten einen genervten Blick. Die Jungens an der Bar waren ziemlich sauer. Beate nahm das Geld, drückte es einem
von ihnen in die Hand, und gemeinsam bugsierten sie Kreutzfelder aus dem Schussfeld. Der ließ alles mit sich machen, fing aber auf der Treppe an zu schwächeln.
Er setzte sich ächzend auf eine Stufe. Um ihn herum brandete das Gewimmel von heraus- und hereinströmenden Menschen. »Wo issen nu die Party? Geht ja zu wie auf dem Bahnhof!«
»Hier warten Sie jetzt auf Lukas«, bestimmte Beate. »Wenn er kommt, wir sind oben!«
Kreutzfelder senior nickte.
Während sie hinaufgingen, sah Sabrina sich noch einmal um. »Es wird ihm doch nichts passieren?«
»Sitzen wird er ja wohl noch können. Über kurz oder lang läuft Lukas ihm direkt in die Arme. Die Zeit müssen wir nutzen. Wir haben nur ein paar Minuten.«
Sie hatten das Hafenbüro erreicht. Noch verbreitete die glitzernde Weihnachtsdekoration anheimelnde Gemütlichkeit, auch wenn sie ihr Verfallsdatum langsam überschritten hatte. Auf dem Tresen, der die Besucher von den Arbeitsplätzen trennte, stand ein kleiner, geschmückter Tannenbaum. An den Wänden hingen alte Schwarz-Weiß-Fotografien aus längst vergangenen Tagen, als die Schleppkähne und Lastschiffe noch in Dreier- und Viererreihen fast bis zur Strommitte nebeneinandergelegen hatten. Steingut, Basalt, Lava, Bims – die große Zeit des Stromhafens war vorüber, als die Steinbrüche sich nicht mehr lohnten. Ein neues Hafenbecken mit einem modernen Containerterminal war entstanden, doch mit dem Betrieb im letzten Jahrhundert konnte es nicht konkurrieren.
Sabrina war ganz vertieft in die Bilder. Im Alten Krahnen, heute ein gepflegtes Baudenkmal, hatten Männer die Lasten von den Schiffen gehoben, indem sie wie Esel auf hölzernen Treträdern den Flaschenzug bewegten. Das war keine vier Generationen her. Eine mühselige Arbeit, genau wie im Hafen. Entladen und bunkern, war es besser, dass modernde Maschinen das heute taten? Mit Sicherheit. Aber was wurde aus den
Menschen, die auf einmal niemand mehr brauchte? Willy, Berti, Nobbi … Sie alle hatten keinen Job mehr gefunden. Nicht im Hafen, nicht woanders.
»Da!«
Beate wies mit dem Kopf auf einen älteren Herrn, der wie die Ruhe selbst an einem Schreibtisch vorm Fenster saß und eine Zeitung las. »Das ist der Hafendisponent. Komm!«
Ohne auf eine Antwort zu warten, zog sie sie mit sich.
»Guten Abend.«
Der Herr ließ langsam die Zeitung sinken und sah sie über den Rand seiner Lesebrille hin an.
»Toiletten hinten rechts. Und wehe, es sieht morgen früh anders aus als heute!«
Beate zog sich einen leeren Schreibtischstuhl heran und setzte sich.
»Eigentlich wollte ich was ganz anderes fragen.«
Sie warf Sabrina einen aufmunternden Blick zu. Die machte es ihr nach und setzte sich auf die andere Seite des Herrn.
Der fühlte sich jetzt doch etwas belagert und legte die Zeitung weg. »Was gibt’s?«
»Wir suchen Kilian.«
Der Mann runzelte die Stirn. »Kenn ich nicht. Fragt Benno am Einlass.«
»Kilian ist nicht auf dieser Party.«
»Dann kann ich euch nicht helfen.«
Er wollte wieder die Zeitung aufnehmen, doch jetzt schaltete sich Sabrina ein. »Ich denke schon. Sein Schiff heißt Désirée. Früher hieß es mal Sehnsucht. Das war bis vor acht Jahren. Bis der Mord am toten Fluss geschah.«
»Ich kenne keinen Kilian.«
»Dann verschwindet die Sehnsucht. Und taucht eine Ewigkeit später wieder als Désirée auf. Noch ein Mord geschieht. Und sie versteckt sich irgendwo entlang des Rheins. Ohne Hilfe geht das nicht. Berti, Nobbi und Willy machen ja nicht mehr mit. Wer ist es heute?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.« Das nervöse Zucken
um seinen Mund verriet, dass Sabrinas Worte wohl doch etwas in ihm zum Klingen brachten.
Beate rollte mit ihrem Stuhl noch ein Stück näher an ihn heran. »Wer gibt denn die Tipps, wenn wieder mal einer an der Werth festmacht? Der Ranger?«
Sabrina hielt den Atem an. Aus dieser Sicht hatte sie das alles noch gar nicht betrachtet.
»Oder immer noch Berti, um sich was dazuzuverdienen? Aber stellen Sie sich mal vor: Berti ist auch tot.«
Der Disponent schnaubte. »Ja. Weil er mit seinem Döskopp nachts nicht wusste, wo er hintritt.«
»Das sagen Sie«, erwiderte Sabrina. »Ich
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