Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
endlich!«
    Michi taumelte zu dem frei gewordenen Stuhl und ließ sich fallen.
    »Da kam eines Tages einer. Er sagte, das sei der Platz, an dem das Schiff schon immer gelegen hätte. Er sah aus wie jemand, dem ich nicht im Dunkeln begegnen möchte. Berti war bei ihm. Er hat gesagt, das ist in Ordnung. Wir sollen ihn
in Ruhe lassen. In drei Tagen ist er wieder weg. Es war was Komisches an dem Schiff und dem Typ. Man hält lieber die Klappe und macht, dass man verschwindet.«
    Sabrina lauschte mit angehaltenem Atem. Zum ersten Mal erfuhr sie etwas über Kilian. Man kannte das Schiff. Er musste nichts zahlen. Warum nicht?
    »Warum musste er nichts zahlen?«, sagte sie laut. »Was hatte er, was andere nicht haben?«
    »Ich weiß nicht«, flüsterte Michi. »Was Unheimliches. Düsteres. An dem Tag, an dem deine Freundin starb, bin ich erst gar nicht zum toten Fluss. Hier vorne war die Hölle los. Sommerferien, volle Schiffe, das ganze Programm eben. Erst um zehn waren die letzten Ausflügler weg. Ich hab die Abrechnung gemacht und bin zur Anlegestelle, weil mich da wie jeden Abend die letzte Fähre aufpickt. Und da hab ich es gesehen.« Er starrte vor sich auf den Fußboden.
    Um zehn Uhr abends – das war die ungefähre Tatzeit. Sabrina glaubte, ihr Herz würde zerspringen. Konnte es sein, dass hier der einzige Zeuge vor ihnen saß? »Was hast du gesehen?«
    Michi schwieg. Eine Träne rollte über seine Wange. Aus seiner Nase lief ein dünner Faden Rotz, den er mit einem nassen Schnauben wieder hochzog.
    »Das Schiff kam raus aus dem Seitenarm. Es war unheimlich. Ganz still und fast dunkel. Es fuhr so nahe an mir vorbei, dass ich hätte aufspringen können. Aber es war keiner drauf.« Er schauderte.
    Beate warf Sabrina einen vielsagenden Blick zu. »Keiner drauf kann ja wohl nicht sein.«
    »Wenn ich es sage! Alles war dunkel. Das war ja das Unheimliche! Und dann …« Er brach ab.
    Sabrina stöhnte auf vor Ungeduld. Am liebsten hätte sie diesen blassen Spargel vor sich gehörig durchgeschüttelt. »Was dann?«
    Wieder wechselte Michi einen Blick mit dem Ranger. Der nickte mit seinem Bullenkopf, und Michi, als hätte er gerade
die Absolution erhalten, fuhr fort. »Dann kam das Sportboot. Ich weiß nicht, ob es am Fluss irgendwo auf der Lauer gelegen hat. Es kam herausgeschossen und fuhr wie irre ein paar Mal um den Kahn herum. Dann drehte es ab und raste in den Seitenarm, als würde es von einem Besoffenen gesteuert.«
    »Wer saß drin?«
    »Konnte ich nicht erkennen. Dann kam ja auch schon die Fähre und ich bin rauf und weg.«
    Er zog noch einmal die Nase hoch und fuhr sich mit dem Handrücken übers Gesicht, um auch noch den Rest gleichmäßig zu verteilen.
    Angewidert wandte sich Sabrina an den Ranger. »Und Sie haben ihn gedeckt?«
    Schraudt nickte bedächtig. »Ich habe ihn mir zur Brust genommen und eins zu eins alles der Polizei erzählt, als hätte ich es mit eigenen Augen gesehen.«
    »Das mit dem Lastkahn nicht.«
    Einen Moment lang flackerte Unsicherheit in den Augen des Wildhüters. Dann hatte er sich schon wieder in der Gewalt. »Das tat ja auch nichts zur Sache.«
    Beate verdrehte die Augen in Richtung Decke, als säßen dort Dummheit und Einfalt auf dem Dachbalken und hielten Händchen. »Nichts zur Sache? Sie haben einen Mörder gedeckt.« Wütend drehte sich Sabrina zu ihr um, doch Beate hob abwehrend die Hand. »Sabrina, es ist klar, dass es entweder der geheimnisvolle Unbekannte auf dem Sportboot gewesen ist oder der mindestens genauso sagenumwobene Lastkahnschiffer. Einer von beiden, mehr Auswahl gibt es nicht. Es sei denn, wir zählen den da noch dazu.« Sie wies mit der Schuhspitze auf Michi.
    »Mädchen«, schaltete sich der Ranger ein. »Ich weiß nicht, was das hier wird. Aber eins ist klar: Der Junge hat mit der Sache nichts zu tun. Er wurde erpresst, bei etwas mitzumachen, und hat mir die Sache gestanden. Für mich gab es keinen Grund, ihn tiefer reinzureiten. Und für euch doch wohl auch nicht, oder? Also, was wird das hier dann?«

    Sabrina warf dem rotzenden Elend auf dem Stuhl einen verächtlichen Blick zu.
    »Ich hab dich nicht geschubst«, beteuerte Michi. »Ehrlich nicht! Ich weiß auch nicht, wer es gewesen sein könnte. Ich hab doch gar nichts gegen dich. Im Gegenteil.«
    Er sah auf. In seinem Gesicht stand die ganze Unsicherheit eines abgelehnten Jungen, der nie bei den Mädchen landen konnte, die er gerne gehabt hätte. Und der es jetzt auf Biegen und Brechen mit der zweiten

Weitere Kostenlose Bücher