Lilienblut
Garnitur versucht, dachte Sabrina grimmig. Und da ging ihr ein Kronleuchter auf.
»Du …«. Sie trat drohend einen Schritt auf ihn zu. »Du warst es!«
Er hob die Arme, um sein Gesicht zu schützen. »Nein!«
»Du hast die Fotos gemacht!«
»Welche Fotos?«, fragten Beate und der Ranger gleichzeitig.
Sabrina wandte sich an Beate. »Halt mich fest, sonst bring ich ihn um! – Er hat die Spannerfotos von Amelie gemacht und an Berti verkauft! Heimliche Aufnahmen an den Krippen. Ich habe eine in Bertis Wohnung gefunden und mich immer gefragt, wie er da rangekommen ist.«
»Das war doch nichts«, wiegelte Michi ab. Aber seine Stimme klang ängstlich. »Ja, ich hab mal Fotos von ihr gemacht und sie Berti gezeigt. Der war ja ganz verrückt nach Amelie. Hat immer von ihr erzählt und war völlig besessen von ihr. Er hat mir Leid getan. Es war ein ganz harmloses Foto, Amelie im Bikini auf dem Badehandtuch. Er hat mir Geld dafür gegeben, dass ich es ihm vergrößere.«
Der Ranger sah auf Michi, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Ist das wahr?«
Michi nickte und schaute seinen Chef nicht an.
Der stieß schnaubend die Luft durch seine Nasenlöcher. »Ihr könnt jetzt gehen. Verschwindet.« Es klang wie ein Befehl, dem man sich besser nicht widersetzte. Beate und Sabrina gingen zur Tür. Michi sprang auf und wollte ihnen folgen, aber der Ranger hielt ihn zurück. »Du nicht.«
Mutlos ließ Michi sich auf den Stuhl fallen. Das Letzte, was Sabrina von ihm sah, war sein langes, leeres Gesicht, die Ohren schon längst auf Durchzug geschaltet in der fatalen Gewissheit, es wieder mal im Leben so richtig verbockt zu haben.
Es war schon Mittag, als sie Andernach erreichten und Beate vorschlug, zum Markt zu gehen und nachzusehen, ob Luigi schon auf hatte.
Aber Sabrina schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Dafür, dass ich versprochen habe, nichts mehr zu unternehmen, was andere auf die Palme bringt, war das heute eine ganze Menge.«
Sie schlenderten noch ein paar Schritte die Uferpromenade entlang, bis sie zur Bushaltestelle kamen.
»Was wirst du jetzt machen?«, fragte Beate. »Gehst du zur Polizei?«
Sabrina zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Mit den beiden Verdächtigen vorhin hast du Kilian und Lukas gemeint, stimmt’s?«
Beate nickte. Sie sah nicht sehr fröhlich aus. Stirnrunzelnd betrachtete sie ihre Schuhspitzen. »Lukas fährt das schnellste und teuerste Teil und er stand auf Amelie. Sorry, wenn ich dich daran erinnere. Aber nach allem, was Michi erzählt hat, sieht mir das sehr nach Eifersucht aus.«
»Aber du glaubst doch nicht im Ernst, dass ausgerechnet Lukas etwas mit dem Mord zu tun hat?«
»Ich?« Verwundert riss Beate die Augen auf. »Niemals nicht. Es gibt immer noch den großen Unbekannten bei der Wasserschutzpolizei. Und Berti ist nach allem, was wir mittlerweile über ihn wissen, auch nicht das Unschuldslamm gewesen. Vielleicht war der’s?«
»Das würde erklären, warum Günni Angst hatte.«
»Hätte ich auch, wenn ich mit einem Mörder unter einem Dach leben müsste. Also, überleg es dir. Wenn du mich brauchst, ich bin da. Wenn nicht, kann ich damit leben.«
Beate drehte sich um und ging davon. Langsam lief Sabrina auf die Haltestelle zu. Der Busfahrer machte noch Pause und hielt die Türen verschlossen. Sie setzte sich auf die Bank und dachte daran, wie sie im Herbst mit Beate an der gleichen Stelle gesessen und über Kilian geredet hatten. Beate hatte einen Instinkt dafür, das Echte vom Falschen zu unterscheiden. Sie hatte sie nie im Stich gelassen. Sogar jetzt blieb sie an ihrer Seite und ermunterte Sabrina, die Suche nach der Wahrheit nicht aufzugeben.
Ich hätte sie einfach nach der Brille fragen sollen, dachte Sabrina. Was ist denn schon dabei? Sicher hat sie eine ganz einfache Erklärung dafür, und ich müsste nicht ständig das Gefühl haben, ihr etwas zu verschweigen.
Sie stand auf und lief los. Weit konnte Beate noch nicht sein. Doch als sie das Stadttor erreichte, war bis auf eine Gruppe Touristen niemand zu sehen.
»Das Rheintor ist die älteste Doppeltoranlage Deutschlands«, trompetete eine durchdringende Stimme. »Die beiden Figuren stammen noch aus der Merowingerzeit und sind entgegen der landläufigen Meinung, es würde sich um die Andernacher Bäckerjungen handeln …«
»Herr Gramann?«
Der Richter trat aus dem Schatten des Tores hervor. Sabrina fiel zum ersten Mal auf, dass er einen Stock bei sich hatte, dessen Spitze er fast unbemerkt über den
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