Lilienblut
zusammen. Plötzlich war es totenstill. Der Ranger sah sie an, als würde ihm aus der Stirn gleich ein Horn wachsen, mit dem er sie aufspießen wollte. Gleichzeitig merkte Sabrina, dass sie keine Angst vor ihm haben musste. Was er genauso dampfend und zischend ausspuckte wie der Geysir, war nichts als Wut.
Langsam drehte er sich zu Michi um, der so aussah, als ob er auch am liebsten in dem roten Erdloch verschwinden würde.
»Du blöder Depp.«
Michi ließ die Schultern hängen.
Der Ranger hob die Hand, und dieses Mal sah es tatsächlich so aus, als ob er dem Jungen eine scheuern wollte. »Hab ich dir nicht gesagt, du sollst das Maul halten?«
»Hab ich doch«, jammerte Michi. »Die kamen plötzlich und erzählten so eine Scheiße. Von wegen ich hätte die da« – er wies mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Sabrina – »an Silvester ins Wasser gestoßen.«
»Hat er auch.« Beate hob triumphierend den Kopf. Sabrina wollte gerade den Mund aufmachen, da trat Beate ihr auf den Fuß. »Ich hab’s genau gesehen. Das gibt mindestens zwei Jahre ohne Bewährung. Es sei denn, du bist noch nicht achtzehn. Dann musst du nur in den Jugendknast.«
Michi heulte auf. »Du elende Lügnerin! Ich lass mir doch von dir nicht so eine Scheiße anhängen!«
»Dann sag die Wahrheit!«, rief Sabrina.
Michi presste die Lippen zusammen, sah zu Boden und sagte kein Wort. Der Ranger schaute von einem zum anderen.
»Im Schach nennt man das Matt.«
»Patt«, korrigierte Beate. »Aber macht nichts. Ich glaube, wir sollten uns mal alle miteinander unterhalten.«
Die kleine Hütte war eiskalt. Als sie eintraten, stellte der Ranger einen Heizlüfter an. Innerhalb kürzester Zeit war die Bude warm. Sabrina und Beate setzten sich auf die Fensterbank. Michi lehnte sich an die Wand, der Ranger nahm auf dem Schreibtischstuhl Platz.
»Also«, begann er. »Was wollt ihr?«
Sabrina war immer noch zu wütend, um ein vernünftiges Wort herauszubringen.
Beate setzte ein zuckersüßes Lächeln auf. »Wer von Ihnen beiden hatte damals Dienst?«
»Ich«, sagte der Ranger. Er griff zu dem Ordner.
»Das können Sie sich sparen«, sagte Sabrina. »Ich habe die Seite der Polizei gegeben.«
Schraudt runzelte die Stirn. »Ach, so ist das. Hier rumspionieren und die Bullen auf uns hetzen.«
»Ich habe Ihre Aussage nie geglaubt. Sie haben gesagt, Sie hätten ein Sportboot gesehen. Es lag aber ein Lastschiff am toten Fluss.«
»Kann mich nicht erinnern«, brummte er. Es klang nicht sehr überzeugend.
Sabrina holte ihr Handy aus der Tasche. »Okay, Michi. Wenn er sich nicht erinnert, dann ist das jetzt deine große Chance. Sonst sind die nächsten Silvesterpartys für dich gestorben.« Sie wählte die 110.
Michi wechselte einen schnellen Blick mit dem Ranger. » Ich hatte Dienst«, presste er aus fast geschlossenem Mund heraus.
Sabrina unterbrach die Verbindung. Ihre Hand zitterte, und sie hoffte, dass keinem der beiden das auffiel. Die Situation war alles andere als leicht unter Kontrolle zu bringen,
auch wenn sie sich hoffentlich nichts anmerken ließ. »Und? Warum hast du das nicht ausgesagt?«
»Weil …«
»Weil er ein Idiot ist.« Der Ranger stand auf und holte aus. Michi zuckte zusammen, aber auch dieses Mal kam er um eine Schelle herum, denn der Ranger steckte lediglich auf seine raumgreifende Art die Hände in die Hosentaschen. »Weil er mit Berti gemeinsame Sache gemacht hat. Immer wenn ich dienstfrei hatte, durften die Schiffe hier rein und raus wie auf dem Bahnhof. Als ob das hier ein Campingplatz wäre und ich der Trottel vom Dienst, dem nichts auffällt. Er, Berti und noch einer von der Wasserschutzpolizei. Mal ein Fuffi hier, mal ein Hunni da. Nicht viel, aber es läppert sich. Idiot!«
Unter dem letzten Wort klappte Michi noch mehr zusammen.
»Wäre aufgeflogen, wenn das die Polizei wüsste. Der Junge ist achtzehn und hat nichts gelernt. Das hier ist das erste Mal, dass er eine Chance hat.«
»Gut genutzt«, murmelte Beate.
»Ich hab doch nichts genommen«, jammerte Michi. »Berti und der andere haben gesagt, wenn ich nicht mitmache, verpfeifen sie mich beim Ranger.«
»Hätten sie das bloß getan! Nach der Sache am toten Fluss kam er zu mir und hat alles gestanden«, sagte Schraudt. »Es war besser, ihn da rauszuhalten.«
Sabrina sprang auf. »Du dämlicher Vollidiot!«, schrie sie Michi an. »Und dafür stehe ich vor der Polizei wie eine Irre da? Weil du Angst um deinen Job hattest? – Was ist passiert? Rede
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