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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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sie leise.
    In der Küche fiel etwas scheppernd zu Boden. Der Richter stieß einen lauten, nicht salonfähigen Fluch aus.
    »Ich will mit ihm reden. Ich glaube nicht, dass er Amelie auf dem Gewissen hat. Und wenn, soll er es gestehen.«
    »Das hast du doch schon mal versucht.«
    »Ja, aber … Da warst du mit dabei.«
    Beate hob die Augenbrauen. »Und deshalb konnte er dir nicht die Wahrheit sagen?«
    Beate wusste nichts von dem Kuss, weil er gestohlen war. Von Amelie, die ihn eigentlich hätte bekommen sollen und an die Kilian gedacht hatte, als er so plötzlich und ohne Vorwarnung Sabrina in einen Strudel von Empfindungen gestürzt hatte. So viel Sehnsucht, so viel Gefühl, und alles für eine andere, die nie wiederkommen würde.
    »Es ist sowieso alles sinnlos.« Sie setzte sich neben Beate und fühlte eine unendliche Leere in sich. Die Zweifel kamen wieder, aber sie wollte ihnen keine neue Chance geben. »Er ist es nicht. Und wir sitzen hier und lassen ihn ins offene Messer laufen.«
    »Bist du dir sicher?«
    Sabrina nickte.
    Beate stand auf und ging zu einem unauffälligen Wandkästchen. Sie öffnete es und holte einen Schlüsselbund heraus, den sie am ausgestreckten Zeigefinger baumeln ließ. »Dann komm.«

EINUNDDREISSIG
    In der Tiefgarage war Platz für drei Autos. Doch es stand nur ein einziges darin: ein blitzendes, blinkendes, cremeweißes Mercedes Cabriolet.
    »Erstzulassung neunzehnhundertsechzig, Kilometerstand Fünfundachtzigtausend.« Beate beugte sich über die Fahrertür, sah hinein und grinste. »Automatik. Damit komme ich klar.«
    »Nein.« Sabrina trat einen Schritt zurück. Sie wusste nicht, was so ein Auto kostete. Das war auch unter diesen Umständen nicht wichtig. »Du hast keinen Führerschein!«
    »Aber ich nehme seit drei Monaten Fahrstunden. Im Juni werde ich siebzehn, und wenn ich die Prüfung bestehe, darf ich begleitet fahren.« Sie öffnete die Tür. »Also? Willst du deinen Kilian jetzt retten oder nicht?«
    Sabrinas Schuhe verwandelten sich gerade in Blei. Sie konnte nicht den kleinsten Schritt machen. »Ich steige doch nicht mit dir in dieses Auto!«
    »Ehrlich gesagt, ich sehe kein anderes.«
    »Deine Mutter bringt uns um! Wenn du das nicht vorher tust. Kannst du denn überhaupt fahren?«
    Statt eine Antwort zu geben, schwang sich Beate auf den roten Ledersitz, steckte den Zündschlüssel ins Schloss, startete und ließ den Motor im Leerlauf aufheulen. »Jetzt oder nie!«
    »Beate! Du bist die Enkelin des Richters!«
    Mit einem breiten Grinsen ließ Beate den Wagen einen halben Meter vorrollen. Eine automatische Lichtschranke öffnete langsam das Garagentor. »Eben«, antwortete sie. »Und das hat mir noch immer den Hals gerettet.«
    Sabrina gab es auf. Sie hastete auf die andere Seite und stieg
ein. Das war mit Abstand das Abenteuerlichste, Gesetzloseste, Waghalsigste, auf das sie sich jemals eingelassen hatte.
    »Warum tust du das?«
    Das Tor war offen.
    Beate gab vorsichtig Gas, und der Wagen rollte hinaus auf eine gepflasterte Doppelspur, die über den zart ergrünenden Rasen hinunter zur Straße führte. »Weil ich im Leben noch nie so viel Spaß hatte.«
     
    Beate fuhr wie der Henker. Das Auto war so niedrig, dass jedes Schlagloch zu einer Herausforderung wurde. Sie mieden das Nadelöhr, das die Altstadt für den Durchgangsverkehr bildete, und machten sich direkt durch die Neubauviertel auf den Weg zur B9 Richtung Koblenz. Der Fahrtwind war so kalt, dass Sabrina nach drei Minuten fühlte, wie ihre Wangen taub wurden. Beate fädelte sich mühelos auf der Schnellstraße ein. Sie missachtete dabei sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen, hielt sich aber weitestgehend an die Verkehrsschilder.
    »Du bist absolut wahnsinnig!«, brüllte Sabrina.
    »Nicht weniger als du! Du bist verknallt in einen Mörder!«
    »Ich bin nicht verknallt! Und ein Mörder ist er auch nicht!«
    »Ja ja!«
    Beate setzte den Blinker und zog in einem waghalsigen Überholmanöver rechts an einem LKW vorbei.
    »Wer hat dir denn beigebracht, so zu fahren?«
    »Der alte Meißner«, schrie Beate zurück. »Bevor er die Fahrschule eröffnet hat, war er mal Rennfahrer. Lang lang ist’s her. Er verbucht das unter Autobahnnachtfahrten. Dreißig haben wir schon. Macht doch Spaß, oder?«
    Sie scherte viel zu früh vor dem LKW ein, der das mit einem lang gezogenen Hupen quittierte. Sabrina nickte nur. Dieser Wagen hatte noch nicht einmal Sicherheitsgurte.
    »Wenn der mich jetzt sehen könnte!«
    Beate war in

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