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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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der Alte. Erst im Knast hat er wieder einen klaren Kopf bekommen.«
    Sabrina griff nach Beates Arm, weil der Boden vor ihren Augen tanzte. Nicht Kilian, von seinem Vater war die Rede!
    »Und …« Sabrina musste sich jedes einzelne Wort ins Gedächtnis rufen, als ob sie die Sprache ganz neu gelernt hätte. »… Und wo bitte ist die Verbindung zum Ranger?«
    »Rainer Schraudt, Kilian Schraudt. Brüder.«
    »Was?« Sabrina ließ Beate los. Dann schrie sie: »Wo ist der Ranger?«

    »Keine Ahnung.«
    »Aber Sie haben doch eben noch mit ihm telefoniert?«
    Der Disponent schüttelte den Kopf. »Geht nach Hause. Mischt euch da nicht ein. Ich habe lange genug beide Augen zugedrückt. Das konnte nicht gutgehen, dieses Hin und Her mit dem alten Kahn. Acht Jahre ist das Ding vor sich hingerostet. Keiner durfte was anrühren, das hat der Junge so gewollt. Wollte selber herausfinden, ob er mit der Sache klarkommen würde. Dann ist er eines Tages da, kaum volljährig, die Tinte auf dem Patent noch nicht trocken, und düst los. Alle haben ihn gedeckt, den ganzen Rhein rauf und runter, weil alle wussten, was er mitgemacht hat. Aber ich habe immer meine Zweifel gehabt. Der Ranger hat gesagt: Lass den Jungen ziehen. Er braucht Zeit. Ich hätte ihn in eine Anstalt gesteckt.«
    Sabrina nahm noch einmal alle Kräfte zusammen. »Wo ist er?«
    »Kein Wort«, antwortete der Mann. »Ihr erfahrt kein Wort von mir.«
     
    Als Sabrina und Beate das Hafengebäude verließen, waren die Polizeiwagen verschwunden. Während Beate schon hinaus Richtung Straße lief, setzte Sabrina sich auf die untere Treppenstufe. Noch zwei Schritte und sie würde ohnmächtig.
    Alles fügte sich zusammen wie bei einem Puzzle: Schraudt war der Bruder von Kilian S., dem Mörder, der in seinem Wahn die eigene Frau erstochen hatte. Und Kilian, der Elfjährige, hatte diesen Mord mitbekommen. Das grausige Zimmer auf dem Schiff, sein ruheloses Umherziehen – all das waren Folgen eines nicht verarbeiteten Traumas. Hatte Amelie davon gewusst? Hatte sie aus Versehen die Büchse der Pandora geöffnet? Das Verlangen, mit Kilian zu reden, wurde beinahe übermächtig. Er konnte, er durfte kein Mörder sein. Doch so viel sprach gegen ihn, nicht zuletzt seine Flucht. Wenn die Polizei ihn erwischen würde …
    Sie sprang auf und lief Beate hinterher. »Wo hat er sich versteckt?«, fragte sie verzweifelt.

    Beate drückte auf den Knopf der Fußgängerampel. »Da, wo der Ranger sein Gärtchen hat. Ich könnte mich ja totlachen. Mutter Natur und Wildwuchs ohne Ende, um dann nach Feierabend die Rabatte zu harken.«
    »Und wo harkt er?« Die Ampel sprang um, beide liefen über die Straße. Ungeduldig eilte Sabrina voraus. »Und nimm bitte zur Kenntnis, dass ich dich das jetzt frage. Also?«
    Sie kamen am Imbisswagen vorbei und an der Wohnsiedlung, in der Berti bei Günni Unterschlupf gesucht hatte. Aber Sabrina hatte keinen Blick dafür. Beate sah nicht so aus, als ob sie die Antwort wüsste.
    »Ich hab da so einen Verdacht«, antwortete Beate schließlich. »Aber ich muss meinen Großvater fragen. Kommst du mit?«
    »Natürlich.«
    In schnellen Schritten hielten sie auf die Uferpromenade und das Stadttor zu. Er ist unschuldig, trommelten die Gedanken in Sabrinas Kopf. Er will auf seine Art mit all dem Schlimmen umgehen, das damals passiert ist. Deshalb das Zimmer und dieses Verstecken, deshalb auch die Rückkehr an den toten Fluss … Der Mörder ist einer von hier und er hat mit der Werth und Berti zu tun. Sonst hätte Berti doch keine Angst gehabt, und er wäre nicht Hals über Kopf geflohen, mit Angel und Gummistiefeln … Wem ist er auf der Werth begegnet? Wer hat ihm einen solchen Schreck eingejagt?
    Mit quietschenden Reifen hielt ein Wagen und stellte sich fast quer über den Bürgersteig. Es war Lukas. Die Seitenscheibe glitt herunter, er beugte sich zum Beifahrerfenster.
    »Sabrina! Gott sei Dank! Deine Mutter hat mir gesagt, dass du in Andernach bist. Steig ein. Wir müssen reden. Bitte.«
    »Klingt nach Aussprache«, flüsterte Beate und blieb stehen.
    Sabrina schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Ich hab keine Zeit. Wir müssen …«
    »Zu meinem Großvater. Das ist aber nett, dass du uns fährst!« Ohne Sabrinas Proteste abzuwarten, enterte Beate den Rücksitz des Wagens.

    Wohl oder übel stieg Sabrina vorne ein. Sie schnallte sich an, während Lukas sich mit Blick in den Rückspiegel wieder in den Verkehr einfädelte.
    »Habe ich noch eine Chance?«, fragte er so

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