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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Nummer?«, fragte sie Sabrina. »Amelies Festnetznummer?«
    Sabrina flüsterte sie. Ihre Lippen hatten sich leicht bläulich verfärbt, sie zitterte plötzlich am ganzen Leib.
    Franziska wählte, wartete einen Moment und sprach sofort, als abgenommen wurde. »Frau Bogner, ist Amelie bei Ihnen?« Dann wandte sie sich ab. Sie nickte, verabschiedete sich und legte auf.
    »Was ist?«
    »Sie ist seit gestern nicht nach Hause gekommen.«
    »Wir müssen rüber!«, schrie Sabrina. »Salinger! Bitte!«
    Salinger riss die Halbschürze ab und kam hinter dem Tresen hervor. Ohne ein Wort nahm er einen Schlüssel von der Wand und eilte noch vor ihnen hinaus. Der Regen peitschte über die Straße, riesige Pfützen kräuselten sich im Wind, als hätten sie Gänsehaut. Am Boot angekommen, riss Salinger die Plane herunter, und alle drei sprangen hinein. Die Überfahrt dauerte keine zehn Minuten, aber sie erschien Sabrina wie eine Ewigkeit. Sie klammerte sich an der Bordwand fest und versuchte verzweifelt zu erkennen, was sich auf der Werth abspielte.
    Salinger hielt auf Krippe 8 zu. Die Polizei hatte wohl nicht
damit gerechnet, dass sich auch jemand vom Wasser her dem abgesperrten Areal nähern konnte, schon gar nicht bei diesem Wetter. Und so gelang es Sabrina, aus dem Boot zu springen und hoch bis zu den Weiden zu laufen, ehe ein Beamter auf sie aufmerksam wurde.
    »He!«, rief schließlich ein Polizist. Als Sabrina nicht anhielt, machte er einen Spurt. »Hallo! Stehen bleiben!«
    Doch sie hetzte weiter Richtung Zaun. Zwei Männer in weißen Overalls untersuchten ihn gerade. Sie sahen außerirdisch aus, fremd, alles war plötzlich verändert. In die Idylle war etwas eingebrochen, dem man mit Scheinwerfern und Suchhunden zu Leibe rückte.
    Einer der Aliens sprang auf und stellte sich Sabrina entgegen. »Sie können hier nicht durch!«
    »Was ist passiert? Was ist da drin passiert?«
    »Ruhig. Ganz ruhig.« Der Polizist hatte sie erreicht und hielt sie fest. Es war ein harter Griff und Sabrina begann sich zu wehren.
    »Lassen Sie mich los! Was …«
    Aus dem Unterholz kamen zwei weitere Beamte. Einer trug eine Tasche. Amelies Tasche. Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen verfolgte Sabrina sie, wie sie an ihr vorübergetragen wurde.
    »Amelie …«
    Sie schluchzte. Dann sah sie zwei Träger, die mit einer geschlossenen Bahre aus dem Wald herauskamen.
    »Wer ist das? Wer liegt da drin?«
    Der Polizist ließ sie nicht los. Auch nicht, als sie zusammenbrach und Worte schrie, deren Bedeutung sie selbst nicht verstand, und als die Tränen sich mit dem Regen vermischten und alles ein graues, salziges Meer wurde, in dem Sabrina zu ertrinken glaubte.
    »Es ist ja gut.« Eine Frauenstimme sprach zu ihr. »Es ist okay. Können Sie aufstehen? Wir müssen Sie hier wegbringen.«
    Sabrina kam auf die Knie, dann sackte sie wieder zusammen.
Andere Menschen halfen ihr, Gesichter, die sie nur verschwommen wahrnahm, jemand legte eine Decke über sie, und dann saß sie auf dem Trittbrett eines Krankenwagens, einen heißen Becher Tee in der Hand, und ein besorgter Sanitäter fragte sie, ob sie etwas zur Beruhigung brauchen würde.
    Sabrina schüttelte den Kopf.
    »Lassen Sie mich durch!«
    Von weit her hörte sie die Stimme ihrer Mutter. »Da hinten ist meine Tochter. Lassen Sie mich zu ihr!«
    Franziska tauchte auf, nahm sie in den Arm. Sabrina ließ den Teebecher fallen und weinte, wie sie noch nie in ihrem Leben geweint hatte. Sie wollte nie mehr heraus aus dieser dunklen, warmen Umarmung, die wie eine Höhle war, in der sie sich verstecken konnte.
    Nach einer Ewigkeit beruhigte sie sich. Immer noch eng umschlungen, setzten Franziska und sie sich hin, und eine Polizeibeamtin nahm ihre Personalien auf.
    »Bitte bleiben Sie noch einen Moment. Jemand von der Kriminalpolizei möchte mit Ihnen sprechen.«
    »Schaffst du das?«, fragte Franziska.
    Sabrina nickte. Der Regen wurde langsam schwächer. Die Schaulustigen hinter der Absperrung hatten sich schon lange verzogen. Der Wagen von der Gerichtsmedizin war fort. Die Aliens in ihren weißen Anzügen liefen mit Plastiktüten in der Hand vorbei und sprachen leise miteinander.
    »Scheiß-Regen«, fluchte einer.
    Eine pummelige, kleine Frau mit wilder Dauerwelle und flatterndem Mantel kam mit einem Klemmbrett unter dem Arm auf sie zu. Sie nickte Franziska kurz zu, offenbar hatten die beiden schon miteinander gesprochen.
    »Sabrina Doberstein?«, fragte sie, und Sabrina nickte. »Ich bin von der

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